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Sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen sollen künftig dabei helfen, Zellen in ein jüngeres Stadium zurückzuversetzen.

Foto: REUTERS/Tingshu Wang

Junge Menschen träumen davon, reich zu sein, und reiche Menschen träumen davon, jung zu sein. Dieses Sprichwort trifft die Ambitionen einiger Vertreter aus dem Silicon Valley. Weil Geld bekanntlich neue Wege eröffnet, warum damit nicht auch seine Jugend zurückholen? Gemeint sind nicht oberflächliche Haartransplantationen oder Schönheitsoperationen, vielmehr geht es darum, den Alterungsprozess zu verlangsamen oder überhaupt umzukehren. Dafür investieren Milliardäre wie Jeff Bezos und Yuri Milner seit kurzem Millionen an Dollar in Start-ups, die genau das versprechen.

Eines davon, Altos Labs, ein Unternehmen im Silicon Valley, das einige der renommiertesten Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf dem Gebiet der Alterungsforschung vereint, startete Anfang des Jahres. Die Startbedingungen könnten kaum besser sein: Rund drei Milliarden Dollar, unter anderem von Bezos und Milner, hat das Unternehmen an Investitionen bereits aufgestellt und den Mitarbeitenden Jahresgehälter von über einer Million Dollar in Aussicht gestellt. Diese sollen dort – zumindest anfänglich – nur Grundlagenforschung betreiben, also Forschung ohne die Erwartung, daraus unmittelbar lukrative Produkte zu machen.

Zellen rückprogrammieren

Das langfristige Ziel der Wissenschafterinnen und Wissenschafter: das Altern verlangsamen oder sogar rückgängig machen. Funktionieren soll das vor allem mithilfe künstlicher Reprogrammierung von Zellen. Dabei werden aus normalen Zellen sogenannte pluripotente Stammzellen gemacht, die sich wieder in verschiedene junge Körperzellen entwickeln können.

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Was erhoffen sich Milliardäre wie Jeff Bezos von ihren Investitionen in die Alterungsforschung?
Foto: Paul Ellis/Pool via REUTERS/File Photo

Die Forschung dazu geht auf den japanischen Wissenschafter Shin'ya Yamanaka zurück, der dafür 2012 den Nobelpreis erhielt und der nun ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat von Altos Labs sitzt. Seine Erkenntnis: Werden in Zellen lediglich vier Gene, die sogenannten Yamanaka-Faktoren, eingebracht, können sie zu pluripotenten Stammzellen umprogrammiert werden. Seit Versuche bei Mäusen 2016 gezeigt haben, dass sich mithilfe der Yamanaka-Faktoren bei diesen bestimmte Gewebe verjüngen und dadurch deren Lebensspanne um rund ein Drittel verlängern lässt, bezeichnen manche Forscher die Reprogrammierung gar als neues "Lebenselixier".

Auch Google ist im Rennen

Altos Labs ist längst nicht das einzige Unternehmen, das sich an der menschlichen Verjüngung versucht. Schon 2013 startete das zu Alphabet gehörende Unternehmen Calico – der Name steht für California Life Company – ebenfalls mit dem Ziel, unsere Lebenszeit sowie die Gesundheitsspanne mithilfe der Reprogrammierung zu verlängern. Mit einem Budget von rund einer Milliarde Dollar begann das Unternehmen, Studien an Mäusen durchzuführen. Doch bisher konnten die Forscher noch kein verwertbares Produkt aus der Forschung entwickeln. Und auch rund um das von dem Biotechnologen John Venter und dem Gründer der X-Prize Foundation Peter Diamandis ins Leben gerufene Unternehmen Human Longevity ist es in den vergangenen Jahren ruhig geworden.

"Die Technik, auf die das Silicon Valley setzt, ist nicht neu", sagt die Molekularbiologin Corina Madreiter-Sokolowski, die an der Med-Uni Graz zur Zellalterung forscht, im Gespräch mit dem STANDARD. Bereits seit mehreren Jahrzehnten werde in der universitären Forschung an diesem Thema gearbeitet. Doch momentan können mittels Reprogrammierung nur bestimmte Zellen in einzelnen Organen, etwa auf der Netzhaut, im Rückenmark oder im Gehirn, erneuert werden. Von einer Erneuerung des gesamten Organismus des Menschen sei man noch weit entfernt.

Altern als "Krankheit"

Zudem seien die Verfahren mit einem entscheidenden Risiko verbunden. Denn während des Alterns nimmt die Teilungsrate der Zellen ab, was uns vor unkontrollierter Zellvermehrung und Krebs schützt. Werden diese sogenannten seneszenten Zellen allerdings wieder umprogrammiert, könnte dadurch die Ausbildung von Tumoren begünstigt werden, sagt Madreiter-Sokolowski. Nicht zuletzt sei auch der Weg von Versuchen an Mäusen hin zum Menschen lang: Bis es zu klinischen Studien mit Menschen kommt, dürften noch viele Jahre vergehen, bis wirksame Medikamente zur Verzögerung das Alterns auf dem Markt sind, womöglich viele Jahrzehnte. "Um klinische Studien mit Menschen durchzuführen, müsste das Altern überhaupt erst einmal als Krankheit definiert werden", sagt Madreiter-Sokolowski.

Genau das ist es auch, was die Unternehmen aus dem Silicon Valley und ihre milliardenschweren Investoren schrittweise durchsetzen wollen. Anstatt den Alterungsprozess und die durchschnittliche Lebenserwartung des Menschen (Männer leben in Österreich im Durchschnitt ungefähr 79 und Frauen durchschnittlich 84 Jahre) als gegeben hinzunehmen, soll die Jugend schrittweise verlängert und der Code zur Bekämpfung der "Krankheit" Altern quasi geknackt werden.

Gesundheitsspanne erhöhen

Ist das schon der erste Schritt in Richtung ewiges Leben? Zumindest vorerst scheinen die Prioritäten woanders zu liegen. Es geht nicht darum, Menschen 150 Jahre oder älter werden zu lassen, heißt es von den Alterungsforschern aus dem Silicon Valley. Aus aktueller biologischer Sicht dürfte die Lebensspanne des Menschen ohnehin nicht mehr als 120 Jahre betragen können. Statt die Lebenszeit zu verlängern, gehe es darum, die sogenannte Gesundheitsspanne zu erhöhen, heißt es von den Forschern, also jene Zeit im Leben eines Menschen, in der dieser gesund und frei von den Alterserkrankungen ist. Laut WHO soll sich die Zahl der über 60-Jährigen bis 2050 verdoppeln, wodurch sich auch Alterserkrankungen mehren werden.

Dafür, dass die Milliardäre eines Tages selbst von der Forschung profitieren und sich damit wieder verjüngen, dürfte es aber bereits zu spät sein. Bisherige Mäusestudien deuten darauf hin, dass Menschen – sofern die Ergebnisse aus Tierstudien direkt auf den Menschen übertragbar sind – möglicherweise schon in vergleichsweise jungen Jahren beginnen müssten, Medikamente zu schlucken und dies über ihr ganzes Leben fortführen müssten, um im Alter einen positiven Effekt zu erzielen, sagt Madreiter-Sokolowski. Das wirft jedoch wieder viele ethische Fragen auf: Um Interventionen bei einer jungen und gesunden Person zu rechtfertigen, müssen diese extrem hohe Sicherheitsanforderungen erfüllen, sagt die Expertin – eine Voraussetzung, von der die Anti-Aging-Forschung und die zugrundeliegenden Regularien derzeit noch weit entfernt sind.

Neue Erkenntnisse möglich

Bleibt die Frage, worum es den Milliardären wie Bezos und anderen mit ihren finanziellen Unterstützungen für solche Projekte tatsächlich geht, wenn sie sich damit kaum ihre Jugend "zurückkaufen" werden können. Hoffen sie, damit künftig ein riesiges Geschäftsfeld zu eröffnen? Oder wollen sie der Menschheit etwas Gutes tun? Wenn es tatsächlich um Letzteres geht, wäre es dann nicht besser, das Geld stattdessen in die Bekämpfung von Tuberkulose oder Malaria oder in eine bessere Gesundheitsversorgung zu stecken, wovon tatsächlich viele Menschen profitieren und länger gesund leben könnten?

Unabhängig von den Motiven ihrer Geldgeber haben die Forscher bei so viel verfügbarem Kapital das Potenzial, auf unzählige neue Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zu stoßen – auch wenn es sich dabei nicht um die Entdeckung eines "Lebenselixiers" handelt. "Wir könnten neue Angriffspunkte für Therapien finden, die im Kampf gegen Diabetes, Demenz, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs entscheidend werden können", sagt Madreiter-Sokolowski.

Teure Therapien

Die Frage sei jedoch, wie die privaten Unternehmen im Silicon Valley dieses Wissen der weltweiten Forschungsgesellschaft zur Verfügung stellen werden. "Vielleicht werden am Ende nur Bruchstücke dieser sehr wichtigen Forschungsergebnisse publiziert", sagt die Expertin. Zudem sei offen, wem eine mögliche "Verjüngungstherapie" eines Tages zugutekommen wird. "Das werden sich womöglich nur die wenigsten leisten können." Würden die Therapien eines Tages auch öffentlich finanziert werden, müsste man basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen festlegen, wer Anspruch darauf haben sollte – und dabei auch die individuellen genetischen oder Lifestyle-bedingten Risikofaktoren einbeziehen, so die Expertin.

Madreiter-Sokolowski forscht indes an anderen Methoden als der Reprogrammierung, um den Alterungsprozess von Zellen zu beeinflussen. In verschiedenen Studien habe sich gezeigt, dass beispielsweise auch Inhaltsstoffe von grünem Tee dabei helfen, gesundes Altern zu fördern, indem sie den Level von Sauerstoffradikalen im Körper nach oben setzen und somit die körpereigene Abwehr gegen schädliche Moleküle fit halten.

Zu einer besseren Abwehrleistung des Körpers und einem insgesamt gesünderen und längerem Leben führe aber auch Sport sowie eine Ernährung, die weniger Kalorien, dafür aber qualitativ hochwertige Nährstoffe enthält, sagt die Expertin. Und anstatt darauf zu warten, dass die Alterungsforschung in den nächsten Jahrzehnten das erste Medikament zur Verlangsamung des Alterns auf den Markt bringt, könnte man mit diesen Maßnahmen schon heute beginnen. (Jakob Pallinger, 2.5.2022)