Die Grünen-Spitze auf dem Weg zum Bundeskongress in Villach: Parteichef und Vizekanzler Werner Kogler (Mitte) mit Klubchefin Sigrid Maurer, Umweltministerin Leonore Gewessler, Justizministerin Alma Zadić und Gesundheitsminister Johannes Rauch (von links).

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Es ist an diesem sonnigen Morgen in Villach deutlich grüner. Was nicht dem Frühlingsbeginn geschuldet ist, sondern an diesem Samstag vielmehr dem 44. Bundeskongress der Grünen im Congress Center. Und für Werner Kogler wurde es ein besonders sonniger Tag: Der Vizekanzler wurde mit einer Zustimmung von 96,4 Prozent als grüner Parteichef wiedergewählt. Bei seiner ersten Kür im Herbst 2018 war er auf 99,02 Prozent gekommen.

Schon beim Auftakt war relativ klar, dass es für Kogler wohl eine relativ "gmahte Wiesn" werden wird. Der Vizekanzler samt Regierungsteam wurde von den 300 Delegierten mit minutenlangem Applaus begrüßt. Die Stimmung beim Bundeskongress war auffallend entspannt, das Brodeln an der grünen Basis wie etwa noch beim letzten Parteitag scheint sich in Zufriedenheit aufgelöst zu haben.

Der Bundeskongress der Grünen live im Stream.

Die Kärntner Spitzenkandidatin und grüne Landessprecherin für die kommende Landtagswahl, Olga Voglauer, setzte in ihrer Eröffnungsrede zu einem Loblied auf ihr Bundesland an: "Habts es fein in Villach, in einer der schönsten Städte in Österreichs. Bin fast geneigt, Lei-Lei zu sagen." Die Anreise nach Kärnten dauere oft ein wenig länger. Aber: "Wir haben ja eine Ministerin, die dafür sorgt, dass das künftig besser wird." Die Grünen haben ja seit Jahrzehnten Lösungen, die es für Österreich braucht, im Programm.

Rauch "scheißt sich nichts mehr"

Gesundheitsminister Johannes Rauch merkte dann auf dem Podium in seinem "Bewerbungsgespräch" an, dass diese Rede nicht in seiner Lebensplanung vorgesehen war. "Als ich zu Werner Ja gesagt habe, also Ja dazu, das Amt des Gesundheitsministers zu übernehmen, war die Standardfrage: Warum tust du dir das an?" Aber es sei die "vollkommen falsche Frage". Rauch: "Ich tu mir nichts an. Ich gehe mit Überzeugung und auch mit Kampfgeist an die Sache heran." Er gehe mit Demut und Entschlossenheit an die Aufgabe heran. "Ich bin 63, ich muss mir nichts mehr scheißen. Das sind die besten Voraussetzungen." Belohnt wurde der Vorarlberger dafür einstimmig mit der Bestätigung als Regierungsmitglied.

Grüner Kapitän

Werner Koglers Rede wurde schließlich als "längster und wohl schönster Teil" des Parteitags angekündigt. Der "grüne Kapitän und krisensichere Manager" präsentierte sich gewohnt mit aufgekrempelten Ärmeln und sprühte vor Selbstvertrauen. Mit einem deutlichen Schwerpunkt in Richtung eines grünen Kernthemas – der Energiewende.

"Wir leben in schwierigen Zeiten, stürmische Zeiten stehen bevor, und niemand weiß, wie es im Herbst sein wird. Es treffen mehrere Krisen aufeinander. Rohstoffkrise, Wirtschaftskrise, soziale Verwerfungen, Pandemie." Sicher sei nur, dass es unsicher ist. Kogler: "Sicher ist, dass es kein Zurück geben kann. Daher nehmen wir als Grüne die Herausforderung an."

Kogler für Gas-U-Ausschuss

Seit dem 24. Februar (dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine) sei die Welt eine andere. "Deshalb muss auch die Politik eine andere werden", so Kogler. "Diese Zeitenwende ist auch Ausdruck der Notwendigkeit einer Energiewende."

Es sei wichtig, Krisen mit Entschlossenheit, Mut und Tatkraft entgegenzutreten. Kogler: "Und wir kennen die Antworten auf die drängenden Fragen. Niemals zuvor war die Energiewende so wichtig wie jetzt. Darum ist es jetzt so gut, dass die Grünen dort sind, wo sie hingehören – in Verantwortung. Und deshalb gilt es, das Richtige zu tun."

Es sei unerhört, dass jene, die Österreich in die Abhängigkeit von russischem Gas gebracht haben, die Bemühungen der Energieministerin blockieren, sagt Kogler in seiner Rede. Unerwähnt bleibt auch das Thema Untersuchungsausschuss nicht. Kogler fordert neuerlich einen Untersuchungsausschuss zur Frage, wer für die österreichische Abhängigkeit vom russischen Gas verantwortlich ist.

Keine Tagträumer

Die Grünen seien keine Tagträumer. Kogler: "Wir stellen uns den Problemen." Wenn die Welt eine andere sei, dann müsse auch die Politik eine andere sein. "Es ist nicht die Zeit der Politik der billigen Polemik. Es ist die Zeit der Politik für das Land, für die Menschen."

Es sei nie zu spät zur Umkehr. Gewisse katholische Traditionen wie Buße und Beichte seien ja nicht schlecht. Kogler: "Die Energiewende jetzt – wir haben diese Mission. Daher: Hand reichen, Ärmel aufkrempeln, nach vorne blicken."

So werde es nicht bleiben können, dass die, die vollständig geliefert haben, sich jetzt erklären müssen. Kogler: "Die Grünen haben sich etwa bei der Transparenz und dem Antikorruptionsschutz im Regierungsprogramm einiges vorgenommen, einige kleinere Punkte sind auch bereits umgesetzt worden. Wichtige Pakete wie das Korruptionspaket sind in der Koordination." Aber man werde blockiert, sagt Kogler, und zwar in den Ländern. Der Grünen-Chef fordert daher, dass sich die Länder öffentlich erklären, warum das Ende des Amtsgeheimnisses und das Informationsfreiheitsgesetz mit der damit einhergehenden Transparenz blockiert werden.

Kogler, der die Koalition mit der ÖVP nachdrücklich lobte, abschließend: "Ruhige Hand, Herz und Hirn findet man bei den grünen Verantwortungsträgern. Wir müssen die Zukunft nicht nur erleiden, sondern gemeinsam mit Leidenschaft gestalten."

Die Wiederwahl als Parteichef nahm er mit einem einfachen Ja an, warnte aber: "Wir sollten nicht übermütig werden. Zukunft ist, was wir daraus machen."

Bundesvorstand

Abgesegnet für den Bundesvorstand wurden auf den fünf freien Plätzen drei Frauen, Meri Disoski (95,55 Prozent), Eva Hammerer (97, 98 Prozent) und Olga Voglauer (97, 61 Prozent), sowie zwei Männer: Stefan Kaineder (84,98 Prozent) und Georg Prack (85,11 Prozent).

Ein eindeutiges Zeichen für die neue Harmonie in Grün ist übrigens auch die überschaubare Anzahl an eingebrachten Anträgen. Zur Diskussion gestellt wurden nur drei Themenbereiche: "Klimaretterin Europa", "Feministische Außenpolitik" und "Kinder aus der Armut holen".

SPÖ kritisiert Kogler

Kein gutes Haar an Kogler und seiner Rede am grünen Parteitag ließ SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er fragte Kogler via Aussendung: "Für wen machen Sie eigentlich Politik, Herr Kogler? Für die ÖVP-Klientel oder die Menschen im Land?" Deutsch nannte in diesem Zusammenhang die Streichung der Kapitalertragssteuer für Aktienspekulanten und die Senkung der Gewinnsteuern "für die ganz großen Konzerne" durch die Bundesregierung.

Im Gegensatz zu Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch habe Kogler zudem die Forderung nach Millionärsabgaben "mit keinem einzigen Wort erwähnt".

Grünen-Umfrage

DER STANDARD hat im Rahmen einer Umfrage durch das Linzer Market-Institut erheben lassen, wie der grüne Parteichef und Vizekanzler gesehen wird. Dabei zeigt sich, dass er in der eigenen als grün deklarierten Wählerschaft durchwegs gute Noten bekommt – 86 Prozent der Grünen sind mit ihm völlig oder eher schon zufrieden.

Umgelegt auf die wahlberechtigte Gesamtbevölkerung kämen die Grünen unter Kogler, wenn jetzt – und nicht wie vom Wahlkalender vorgesehen im Herbst 2024 – ein neuer Nationalrat gewählt würde, auf elf Prozent (Nationalratswahl 2019: 13,9 Prozent).

Der Koalitionspartner ÖVP liegt aktuell in der Umfrage bei 24 Prozent (2019: 37,5 Prozent), doch deutlich hinter der SPÖ, die mit 28 Prozent rechnen könnte (2019: 21,2 Prozent). Die FPÖ käme aktuell auf 19 Prozent (16,2 Prozent), die Neos auf 12 (8,1 Prozent), und für MFG weist auch die aktuelle Umfragewelle etwa fünf Prozent – und damit den Sprung ins Parlament – aus.

Diese aktuellen Umfragezahlen legen nahe, dass die türkis-grüne Regierungskoalition derzeit mit 35 Prozent in der Wählergunst ohne Mehrheit dasteht.

Gewessler wird in Stellung gebracht

Parteiintern denken die Grünen derweil bereits an die Zukunft und bringen Umweltministerin Leonore Gewessler in Stellung. Sie soll zur Vizeparteichefin aufsteigen – allerdings erst nach dem Parteitag. Derzeit ist der oberösterreichische Grünen-Chef Stefan Kaineder der einzige Parteivize hinter Kogler.

Eine Wahl in einem Bundesland, konkret in Kärnten, hat hingegen Olga Voglauer kommendes Jahr zu schlagen. Die Landessprecherin und Spitzenkandidatin der Grünen Kärnten/Koroška kämpft um den Wiedereinzug in den Landtag. (Markus Rohrhofer, Conrad Seidl, 30.4.2022)