Johanna Mikl-Leitner sitzt in ihrer Landespartei fest im Sattel.

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St. Pölten – Der allgemeine Zustand der ÖVP und auch die Situation im Bundesland tun der Beliebtheit von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in ihrer Landespartei keinen Abbruch: Beim Landesparteitag in St. Pölten wählten am Samstag 99,5 Prozent der 415 Delegierten die Landeshauptfrau zur Chefin der niederösterreichischen Volkspartei – und das trotz immer neuer Korruptionsvorwürfe im Bund und einer Sonderprüfung des Landesrechnungshofs in Niederösterreich rund um Inserate der öffentlichen Hand in Parteimedien.

"Ich muss jetzt einmal Luft holen, denn die Freude ist riesengroß", sagt Mikl-Leitner nach der Verkündigung des Ergebnisses: "Danke, dass wir diesen gemeinsamen Weg des Miteinanders weiter fortsetzen." In jeder schwierigen Situation liege auch ein Aufbruch. Und so wie die Stimmung in der Partei sei, "wird mir nicht bange, dass wir das schaffen. Wir als Volkspartei Niederösterreich haben die Kraft, dieses Land weiterhin positiv zu gestalten", sagte die Landeshauptfrau wenige Monate vor der Landtagswahl, bei der sie eine absolute Mandatsmehrheit zu verteidigen hat.

Die Latte war auch beim Parteitag hoch gelegen: Vor fünf Jahren erreichte Mikl-Leitner 98,5 Prozent der Delegiertenstimmen. Damals beerbte sie Erwin Pröll als Landesparteiobmann. Die frühere Landesrätin und Innenminister wurde nach Prölls Rücktritt vom Landtag zur Landeshauptfrau gewählt – und sicherte der Volkspartei bei der Landtagswahl 2018 die absolute Mehrheit.

ÖVP Niederösterreich als "moderne Regionalpartei"

Der Parteitag im St. Pöltner Veranstaltungszentrum war geprägt von den Vorbereitungen auf die niederösterreichische Landtagswahl, die regulär im Frühjahr 2023 stattfinden soll. Im Zentrum stand dabei natürlich die Landeshauptfrau, aber auch der Markenkern der Landespartei als "die Niederösterreich-Partei", einer "modernen Regionalpartei".

In ihrer Rede erklärte Mikl-Leitner unter Verweis auf Krieg und Pandemie: "Wir leben in Zeiten, wie sie unsere Generation noch nicht erlebt hat." Bis vor kurzem hätten manche gemeint, "Gendersterne und Diversität wären die wichtigsten Zukunftsfragen unserer Gesellschaft." Es sei aber nun klar, dass Wohlstand und Lebensgrundlagen wichtiger seien als "Wohlfühlen und Lebensmodelle". Und auch "die beste Öko-Strategie hilft gar nichts, wenn die Leute nicht mehr wissen, wie sie von A nach B kommen."

Als Volkspartei "schon einfachere Zeiten" erlebt

Die Landeshauptfrau hielt sich auch nicht dabei zurück, die Bedeutung ihrer bevorstehenden Wahl zu betonen: "Wir erleben gerade nahe an unserer Grenze einen abscheulichen Kampf der Nationen, aus dem schon bald ein neuer Wettbewerb der Regionen folgen wird. Und wenn dann die Karten wieder neu gemischt werden, sollen die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wissen, wer ihr Trumpf ist, wer ihr Atout ist und wer sie nicht im Stich lässt."

Angesichts der von Korruptionsvorwürfen schwer gebeutelten Volkspartei sagte Mikl-Leitner: "Ich gebe schon zu: Als Partei, noch dazu als Volkspartei, haben wir schon einfachere und angenehmere Zeiten erlebt. Und so wie vielen anderen auch vermittelt auch mir in manchen Bereichen Politik heute ein Bild, das ich ablehne, das ich so nicht möchte – und vor allem für Niederösterreich auch nicht möchte."

"So sind wir – das ist unser wahres Gesicht!"

Kritik übte Mikl-Leitner an "Aggressionen gegenüber Politikern", anonymen Anzeigen, denen politische Debatten folgen, politische Auseinandersetzungen, die "vor Gerichten und nicht im Parlament ausgetragen werden". Es tue ihr weh, wenn die Volkspartei in der Kritik steht, "weil es zu oft nicht angemessen und nicht gerecht ist, was uns manche vorwerfen". Aber die Mitglieder ihrer Landespartei würden für das Land arbeiten, den Landsleuten Sicherheit geben und in Niederösterreich für Geborgenheit sorgen: "So sind wir – das ist unser wahres Gesicht!"

Auch die Turbulenzen in ihrem eigenen Bundesland sprach die Landeshauptfrau an. Die ÖVP regiert ja dank Proporzsystem gemeinsam mit SPÖ und FPÖ und hat mit diesen unter dem Titel "Miteinander" auch Arbeitsübereinkommen getroffen – zuletzt wurden die Reibereien mit den beiden Parteien aber immer heftiger. "Wir wissen es und ihr alle verfolgt es und spürt es vor allem auch. Immer öfter machen es uns manche Parteien im Land nicht einfach, diesen Miteinander-Kurs zu halten" – man werde ihm aber jedenfalls treu bleiben, was die Delegierten mit Applaus quittierten.

Nehammer: "Wir können das alles schaffen"

Auch Teile der Bundesregierung machte der Landespartei am Samstag ihre Aufwartung: Zu Gast waren die Niederösterreicherin und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, Kanzleramtsministerin Susanne Raab, Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck – und Bundeskanzler sowie ÖVP-Bundesparteiobmann Karl Nehammer.

Der Regierungschef lobte Mikl-Leitner als "zuverlässige, kompetente und erfahrene Politikerin als Partnerin an meiner Seite". Die Zeiten seien gerade nicht einfach, "aber wir können das alles schaffen. Die Krisen machen uns stärker", sagte Nehammer. Und wie fast alle anderen Rednerinnen und Redner freute sich Nehammer über das persönliche Zusammentreffen mit den rund 1.100 Delegierten und Besucherinnen im St. Pöltner Veranstaltungszentrum.

VP-Landesgeschäftsführer: Niederösterreich ist Transparenz-Vorbild

Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner übernahm in seiner Rede die Auseinandersetzung mit den anderen Parteien – wobei er eine Konkurrentin der Volkspartei nicht beim Namen nannte. So wie das Team Stronach würde auch eine "andere Partei von heute" anfangs laut auftreten, aber auch schnell wieder weg sein. Gemeint sind die Impfgegner der MFG, die die ÖVP seit ihrer Gründung bei diversen Wahlen Stimmen gekostet hat.

In der Politik müsse man Kritik aushalten, sagte Ebner. Aber "in Niederösterreich fällt uns das besonders leicht, weil wir der Kritik immer wieder Fakten entgegenhalten können". Man arbeite mit allen Landtagsparteien zusammen, es gebe aber mit allen auch Probleme. An den Neos störe ihn etwa, "dass sie immer unser Land schlechtreden", etwa was Transparenz anginge – dabei erfülle Niederösterreich die höchsten Standards in diesem Bereich.

"Methoden des Bundes"

Auch mit der Grünen-Chefin Helga Krismer arbeite er "da und dort" zusammen. Doch die Grünen würden "unsere Umweltpolitik immer schlechtreden", dabei könne Niederösterreich die höchste CO2-Reduktion und den niedrigsten Bodenverbrauch aufweisen. Die FPÖ würde "immer wieder Ängste und auch Unsicherheiten schüren", dabei sei Österreich und speziell Niederösterreich besonders sicher. Und "warum spricht die SPÖ immer schlecht von unserem Land? Warum sind sie immer, gerade wenn es um Arbeit und Soziales geht, negativ?" Sei Niederösterreich doch das Land mit der geringsten Armutsgefährdung.

Andere Parteien würden "die Methoden des Bundes zu uns nach Niederösterreich hineintragen", sagte Ebner und verwies etwa auf die anonyme Anzeige beim Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) wegen vermuteter Querfinanzierung der Volkspartei durch Landesinserate in Parteimedien. Der UPTS habe "klar entschieden", dass hier "kein Fehlverhalten" vorliege. "Dadurch war die Sache für uns erledigt."

Rechnungshof prüft Inhalte der Anzeige

Tatsächlich hat der UTPS erklärt, dass er keinen Grund für ein Tätigwerden sehe, er darf allerdings auch nur auf Anweisung des Rechnungshofs (RH) prüfen – und hat die Anzeige an diesen weitergeleitet. Der RH bestätigte dem STANDARD zuletzt, dass das Thema "Gegenstand des Kontrollverfahrens des Rechnungshofes zum Rechenschaftsbericht der ÖVP 2019" sei. "Sollten wir in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen das Parteiengesetz vermuten, wird der Rechnungshof nach Abschluss des Kontrollverfahrens eine Meldung an den UPTS erstatten", sagte ein Sprecher des RH.

Der politische Mitbewerb ließ den Landesparteitag nicht unbeachtet: Vor dem St. Pöltener Veranstaltungszentrum protestierte die Sozialistische Jugend Niederösterreich mit einem Skelett, einem als Sensenmann verkleideten Aktivisten und dem Spruch "Die Zeit der ÖVPNÖ-Mehrheit ist bald vorbei". (Sebastian Fellner, 30.4.2022)