Der Jurist Heinz Mayer vertritt das Antikorruptionsvolksbegehren in der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten.

regine hendrich

Maria Mayrhofer von #aufstehn wirbt in der Stadt ebenfalls um Unterstützungserklärungen.

regine hendrich

St. Pölten – Das Menschenaufkommen in der St. Pöltner Fußgängerzone ist an einem Montagvormittag überschaubar, aber Heinz Mayer fällt natürlich auf. Den Verfassungsjuristen und ehemaligen Dekan der juridischen Fakultät an der Uni Wien kennt man aus dem Fernsehen – und auch ein Passant hat ihn schon gefunden. Aber zunächst nicht, um sich über das Antikorruptionsvolksbegehren zu informieren, wofür Mayer eigentlich da ist. Sondern um mit ihm über das juristische Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu diskutieren.

Mayer absolviert einen von neun Terminen, die den Beginn der Eintragungswoche für das Volksbegehren markieren: In jeder Landeshauptstadt stehen Proponentinnen und Proponenten der Initiative und werben um Unterstützungserklärungen.

"Die Leute müssen es begreifen"

"Es ist kein sexy Thema", sagt der Jurist. Das habe er auch in den vergangenen Monaten gemerkt, in denen er und Mitstreiterinnen wie die Staatsanwältin Christina Jilek, die Ex-Politikerin Heide Schmidt, Ex-ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath oder Korruptionsexperte Martin Kreutner für Unterstützungserklärungen mobilisiert haben. In der breiten Bevölkerung herrsche die Ansicht vor, dass Korruption halt gegeben sei und Politiker ohnehin allesamt Dreck am Stecken hätten. Dabei müssten "die Leute begreifen, dass ihnen Korruption immer in die eigene Tasche greift", sagt Mayer. Das zeigt sich auch bei der Aktion in St. Pölten. Viele Menschen winken ab, als ein Aktivist ihnen Flyer in die Hand drücken will – kein Interesse, korrupt sind sie sowieso alle, lautet der Tenor.

Innerhalb des Volksbegehren-Teams gebe es unterschiedliche Vorstellungen, was Qualität und Quantität als Erfolgsmerkmal betrifft, sagt Mayer. Während die einen sehr stark auf möglichst viele Unterschriften hofften, finde er: "Unsere wichtigste Aufgabe ist es, Bewusstsein zu schaffen."

Eintragungswoche als Finale

Den Pessimismus möchte Maria Mayrhofer nicht so stehen lassen: Immerhin sei die Unterstützung für das Volksbegehren sehr groß, sagt die Geschäftsführerin der zivilgesellschaftlichen Organisation #aufstehn, die das Volksbegehren unterstützt und auch in St. Pölten vor Ort ist. Über 500 Freiwillige würden am Montag in 200 Gemeinden eigens produzierte Hängeflyer an den Türklinken ihrer Nachbarinnen und Nachbarn anbringen, um auf das Volksbegehren aufmerksam zu machen.

Die Unterstützerinnen und Unterstützer des Antikorruptionsvolksbegehrens setzen sich unter anderem für eine unabhängige Justiz, ein Ende von Inseratenkorruption sowie Informations- und Pressefreiheit ein. Die Eintragungswoche ist das Finale der Unterstützungsphase. Neben dem Volksbegehren gegen Korruption können auch Volksbegehren für höheres Arbeitslosengeld, für ein bedingungsloses Grundeinkommen, gegen Lebendtiertransporte, für die psychische Gesundheit junger Menschen und gleich zwei gegen die (ausgesetzte) Impfpflicht unterschrieben werden. Wer wahlberechtigt ist, kann online oder auf dem Gemeindeamt seine Zustimmung erklären. Ab 100.000 Unterschriften muss das Begehren im Parlament behandelt werden, Zahlen zum aktuellen Stand gibt es laut der Initiative derzeit nicht.

Auch der Mann, der anfangs mit Heinz Mayer über Verhältnismäßigkeit diskutieren wollte, ist nach einer kurzen Pause zurück und nimmt sich Flyer vom Tisch. Aber nicht ohne zu versuchen, noch einmal mit dem Verfassungsjuristen ins Gespräch zu kommen. (Sebastian Fellner, 2.5.2022)