Eva Marek nannte ihre eigenen Chats "zynisch und unpassend".

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Wie geht man damit um, wenn die eigenen, durchaus heiklen Chats den Weg an die Öffentlichkeit finden? Das Verhalten von Auskunftspersonen im U-Ausschuss liefert dafür einige Vorlagen. Da gibt es jene, die ihre Nachrichten als "salopp" (Ex-Finanzminister Gernot Blümel, ÖVP) oder "Reden wie im Wirtshaus" (Leitender Oberstaatsanwalt Johann Fuchs) bezeichnen. Andere bitten um Entschuldigung: etwa die frühere Assistentin von Thomas Schmid. Auch der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek bezeichnete seine Nachrichten, als sie vor rund einem Jahr öffentlich wurden, als "unverzeihbar, nicht zu rechtfertigen und völlig unangemessen".

Eva Marek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH), schlug am Mittwoch vor dem U-Ausschuss in dieselbe Kerbe. "Absolut unpassend, extrem zynisch und respektlos" seien ihre Chats gewesen. Aber: An den Kontext des Geschriebenen konnte sie sich nicht mehr erinnern, beispielsweise bei der Nachricht "Deine Leute sind alle versorgt" an den damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter.

U-Ausschuss als "Zirkus"

Pilnacek weigerte sich am Dienstag hingegen gleich, Auskunft über seine Chats zu geben. Solange er keine Einsicht in jene Nachrichten habe, die dem U-Ausschuss vorliegen, werde er sich dazu nicht äußern, sagte Pilnacek. Als "Zirkus" bezeichnete das der freiheitliche Fraktionsführer Christian Hafenecker.

Pilnacek und Marek verbindet, dass ihre beiden Chats gewisse Emotionen über Vorgänge innerhalb der Justiz ausdrücken. Um die ging es diese Woche, und somit auch am Mittwoch.

Auskunftsperson 1: Eva Marek

Um kurz nach neun Uhr gingen die Befragungen mit Eva Marek los. Sie begann einst als Staatsanwältin und machte dann innerhalb der Justiz Karriere, seit 2018 ist sie Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs. Im Jänner wurden Chats publik, die einen Deal mit dem einstigen Justizminister Wolfgang Brandstetter nahelegten. Sie soll 2014 offenbar auf seinen Wunsch Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien geworden sein und wollte dafür wohl belohnt werden. Wegen der Chat-Affäre musste Marek leitende Aufgaben am OGH abgeben.

Thema 1: Die Chats

Als publik wurde, dass das Smartphone des langjährigen Kabinettschefs im Innenministerium Michael Kloibmüller gestohlen worden war und dessen Chats verbreitet würden, dachte wohl kaum jemand, dass sich eine der brisantesten Nachrichten um Bestellvorgänge in der Justiz drehen würde. Doch Eva Marek ist gut mit Kloibmüller bekannt, ihr Mann arbeitet im Innenministerium. Und sie beschwerte sich bitterböse beim damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), bei der Besetzung des Leitungspostens in der Generalprokuratur übergangen worden zu sein – und leitete die Nachricht an Kloibmüller weiter.

"Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen dürfte. SPRICH (Maria-Luisa) Nittel und Vrabl verhindert werden mussten", schrieb Marek damals – Nittel und Ilse-Maria Vrabl-Sanda waren damals bessergereihte Bewerberinnen für die Stelle der OStA-Wien-Leitung. Brandstetter drehte das um und wählte Marek aus; laut seinen Angaben, weil er Vrabl-Sanda als Leiterin der WKStA brauchte, wo sie nach wie vor tätig ist. Umreihungen durch Ministerinnen und Minister sind ungewöhnlich, kommen aber immer wieder vor: Auch Maria Berger (SPÖ) und Alma Zadić (Grüne) änderten bereits Reihungen.

Marek bezeichnete ihre Nachricht als "absolut unpassend, extrem zynisch und respektlos", die dahinterliegende Emotion könne sie sich selbst nicht mehr erklären. Über Fragen zu ihrer Beziehung zu Kloibmüller gab es langwierige Geschäftsordnungsdebatten, ein Chat an die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wurde von der Verfahrensrichterin als "privat" eingestuft.

Thema 2: Einflussnahme auf Ermittlungen

In die Amtszeit von Marek als Leiterin der OStA Wien fielen einige denkwürdige Ermittlungsverfahren, zu denen die Abgeordneten Fragen hatten. Die Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli thematisierte die Causa Schlössle. Dabei geht es um ein ehemaliges Hotel in Lech, das der Unternehmer und Milliardär René Benko erworben hatte. Er zahlte 250.000 Euro für die Ablöse – die Gemeinde hatte das Vorkaufsrecht; und danach ebenso viel, um das "zeitlich vernünftig" abzuwickeln. Marek sei für eine Einstellung der Ermittlungen gewesen, die OStA Wien habe da Unterlagen direkt von Benkos Anwalt Dieter Böhmdorfer entgegengenommen und diese nicht mehr der WKStA gezeigt, die eigentlich einen Anklageentwurf vorgelegt hatte.

In Lech musste das Schlössle Benkos Chalet N weichen.
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In der Causa Stadterweiterungsfonds, einem großen Verfahren gegen Sektionschefs im Innenministerium, habe sich Marek rausgehalten, weil ihr Mann im Innenministerium arbeitet. 2020 waren Sektionschef Christian Pilnacek, Marek und andere hierzu wegen Amtsmissbrauchs angezeigt worden, laut Staatsanwaltschaft Innsbruck sei jedoch eine Einflussnahme Mareks auf das Verfahren "überhaupt nicht erkennbar" gewesen.

Ob im Zusammenhang mit der Personalentscheidung gegen Marek ermittelt wird, prüft derzeit das Justizministerium: Es erhielt dazu einen Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck.

Auskunftsperson 2: Staatsanwalt S. G.

Das berichtete Staatsanwalt Gregor S. G. , der gegen Brandstetter, Pilnacek und Mareks Nachfolger bei der OStA Wien, Johann Fuchs, ermittelt. Dieses Verfahren begann ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft Wien, bei der S. G. tätig ist, wurde dann aber nach Innsbruck delegiert, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

So einer besteht, zumindest laut Fuchs, aber weiter: Denn S. G. wurde auf dem Papier nach Innsbruck "mitübersiedelt", weil er schon in den Fall eingearbeitet war. Das führte dazu, dass Fuchs bei seiner Beschuldigteneinvernahme vergangenen September in Wien dann S. G. gegenübersaß.

"Alles auf den Tisch", fordert die ÖVP.
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"Die Tatsache, dass ich Ihr Dienstvorgesetzter bin und Chef der Dienstbehörde, der Sie angehören", sei ein Interessenkonflikt und ein "Riesenproblem", sagte Fuchs da – die Gelegenheit zur Stellungnahme nutzte er dennoch.

S. G. beurteilte das im U-Ausschuss anders, er sehe bei sich keine Befangenheit. Wahrnehmungen zu politischer Einflussnahme auf die Ermittlungen habe er keine.

Aufhorchen ließ S. G. mit der Nachricht, dass auch in der Causa Pilnacek ein weiterer Vorhabensbericht vorgelegt wurde – also eine Entscheidung über Anklage oder Einstellung der Ermittlungen.

Dieser liegt nun im Justizministerium. Worum es genau in der Sache ging, bleibt vorerst geheim. Ein erster Prozess gegen Pilnacek endete mit einem nichtrechtskräftigen Freispruch. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Auskunftsperson 3: Abteilungsleiter Jirovsky

Den Abschluss bildet Robert Jirovsky, der im Justizministerium für "Großverfahren und berichtspflichtige Strafsachen" zuständig ist. Der Leiter der Abteilung V-2 sitzt somit zwischen Oberstaatsanwaltschaft und Sektionschef beziehungsweise Sektionschefin, er war also hautnah bei den Konflikten zwischen WKStA, Fuchs und Pilnacek dabei.

Robert Jirovsky.
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Mit Pilnacek habe er per se gut gearbeitet, sagte Jirovsky aus; Teil eines "Systems Pilnacek" sei er aber nicht. Von Justizminister Josef Moser (ÖVP) habe er den Auftrag erhalten, die Qualität der Arbeit der WKStA zu prüfen. "Die WKStA war gut aufgestellt, aber nicht so elitär wie sie sich selbst darstellen wollte", sagte der Abteilungsleiter.

FP-Mandatar Hafenecker legte dazu ein Dokument vor, in dem Jirovksy vier etwaige Fehler der WKStA festhielt. Da ging es unter anderem um die BVT-Affäre, den Fall eines ehemaligen Bürgermeisters und die Causa Chorherr. Die Hausdurchsuchung in der Causa Blümel sei hingegen "vertretbar" gewesen, sagte Jirovsky. (Fabian Schmid, Renate Graber, 4.5.2022)