Das Netz ist tendenziell frauenfeindlich. Was sich an Hass und Häme in den sozialen Foren, vor allem über prominente Frauen, ergießt, kann man einfach nicht leugnen. Jemand hat das phänomenologisch darauf zurückgeführt, dass der typische Internet-Polemiker ein "200-Kilo-Kerl ist, der im Pyjama auf seinem Bett am Laptop sitzt". Dieser jemand war allerdings Donald Trump, der wohl wusste, wovon er redet.

Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck unterwarfen sich der türkisen Programmierung.
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Nicht nur das "Netz", sondern wahrscheinlich die österreichische Öffentlichkeit überhaupt hat noch kein ganz entspanntes, selbstverständliches Verhältnis zu Frauen in führenden Positionen gefunden. In Nordeuropa sind starke Regierungschefinnen normal: Finnland, Schweden, Litauen, Estland. Sie treffen toughe Entscheidungen, wie den Nato-Beitritt, und habeneine harte Haltung gegen die Putin-Bedrohung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock scheuen sich nicht, in der größten Herausforderung Europas klare Kante zu zeigen. Vielleicht auch, weil ihnen der prototypische Macho Wladimir Putin gegenübersteht.

Bei uns ist das Verhältnis zu starken Frauen immer noch ein Problem, und zwar ein durchaus ernstes, wenn man daran denkt, dass der Kerl, der die Grünen-Politikerin Sigi Maurer mit sexueller Gewalt bedrohte, dann seine Lebensgefährtin ermordete.

Die Chefredakteurin des Kurier beklagte Hass und Häme anlässlich des Rücktritts von Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck. Allerdings mit fragwürdigem Spin: "Beide wurden als Marionetten und Dummchen … gejagt, während grüne Ministerinnen oft mit Samthandschuhen angefasst werden." Aber die beiden luden zu einer kritischen Betrachtung sowohl durch ihren politischen Stil wie auch ihre Leistungen ein. Sie unterwarfen sich völlig der türkisen Programmierung: Inszenierung ist alles – und im Hintergrund beinharte Klientelpolitik.

Kleinkarierte Politik

Tatsächlich sind viele selbstbewusste, bürgerliche Frauen bei den Neos gelandet: Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, Ausschuss-Arbeiterin Stefanie Krisper, Staatsphilosophin Irmgard Griss. Auch bei den Grünen gibt es eigenständige Politikerinnen, wie die Abgeordnete Nina Tomaselli, die im U-Ausschuss den Koalitionspartner ÖVP nicht schont. Leonore Gewessler ist ruhig und bestimmt (Lobau-Tunnel), muss aber jetzt bald einen Energie-Krisenplan liefern. Justizministerin Alma Zadić geht vielleicht zu zögerlich gegen erzkonservative Seilschaften in ihrem Haus vor.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner verdient Anerkennung für die Hartnäckigkeit, mit der sie seit fast fünf Jahren die Zumutungen der roten Macho-Riege durchgestanden hat. Auch bei Michael Ludwig trat der subtile Patriarchalismus aus allen Poren, als er am 1. Mai den Regenschirm über sie hielt: "Wir lassen sie nicht im Regen stehen." Aber Durchhalten ist nicht alles, es braucht mehr Substanz.

Die Kickl-FPÖ will eine Frau als Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl aufstellen. Gut, wenn es denn nicht eine Frau Dr. Seltsam wird.

Frauen müssen auch unverhöhnt scheitern dürfen. Viele Frauen wollen sich auch "das nicht antun". Und die Auswahlkriterien unserer oft kleinkarierten Politik sind nicht ermunternd. Da muss man ansetzen. (Hans Rauscher, 10.5.2022)