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Das Schauspielhaus Graz ist seiner Zeit voraus und setzt alles in Bewegung, um ein "Grünes Theater" zu sein.

Illustration: Michaela Köck, Foto: Picturedesk/Adobe Stock

Frank Holldack, Projektleiter "Grünes Theater" am Schauspielhaus Graz.

Foto: Lex Karelly

Keine Plastikflaschen mehr auf Podien, strenge Mülltrennung, ressourcenschonende Klimatechnik, Mobilitätsberechnung, umweltverträgliche Bühnenmaterialien und Kostüme zum Recyclen: All das gehört zur To-do-Liste von Theatern der Zukunft. In der Pandemie haben Häuser hinter den Kulissen an Nachhaltigkeitskonzepten gearbeitet. In England entstand die Initiative "Theatre Green Book", aus der neue Standards für sozial- und umweltbewusste Theaterbetriebe hervorgegangen sind. Frank Holldack kennt sie gut. Am Schauspielhaus Graz ist er Leiter des Projekts "Grünes Theater".

Theater stehen, wie andere Institutionen und Unternehmen auch, vor Strukturreformen. Das Umdenken, dem sich das Theater derzeit intensiv aussetzt, umfasst aber nicht nur eine Nachhaltigkeitszielsetzung (das Schauspielhaus Graz benennt die heutige Klimalage als Ökozid), sondern auch Fragen des sozialen Miteinanders, der Diversität, der Machtgefälle, der Kommunikation et cetera. Das Anliegen und die Notwendigkeit sind groß, nicht zuletzt, um als Kulturinstitution die eigene Glaubwürdigkeit in der künstlerischen Auseinandersetzung mit drängenden Gegenwartsfragen zu stärken. Wer Wasser predigt, sollte dieses selber auch trinken.

Überproduktion

Als eines der wenigen Häuser in Österreich trägt das Grazer Schauspielhaus den angestrebten Wandel sichtbar nach außen und untersucht seit einem Jahr sämtliche Bereiche: die Theaterproduktion, Betriebsabläufe, Gebäudetechnik, Lieferketten. Bis Saisonende soll als gut sichtbares Zeichen die Innenfassade begrünt sein. Initiiert hat den grünen Move die in der kommenden Spielzeit scheidende Intendantin Iris Laufenberg, und man wird von ihr in Berlin dazu einiges hören.

Der vielversprechende Begriff Green Deal for Culture, ursprünglich von Museen angestoßen, ist in Deutschland in aller Munde, die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bekannte sich kürzlich bei der Eröffnungsrede zum Theatertreffen in Berlin zu einem Green Turn. Sogar die im Zuge des Festivals vergebenen Pokale bestanden nicht aus glänzendem Blech, sondern aus gepresster Erde mit keimfähigen Pflanzensamen. Auch das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit ist eine wichtige Anlaufstelle für das Thema Betriebsökologie im Bereich Kultur und Medien.

Bienenstöcke, Grauwasser

Die Erkenntnisse, wie Kreislaufwirtschaft in Theatern funktionieren könnte, sind da. Allerdings fehlt es noch an einem umfassenden, entscheidenden politischen Plan. Auch in Österreich sind in den letzten Jahren Anreize für Green Events und entsprechende Gütesiegel geschaffen worden, sind Fotovoltaikanlagen und Bienenstöcke auf Theaterdächern montiert und Grauwasseranlagen und LED installiert worden. Die Initiative Kunst und Kultur 2022 von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) gibt dahingehend wichtige Impulse, und auch das Schauspielhaus Graz teilt seine nun eruierten Daten mit diversen wichtigen Ämtern. "Aber das Ministerium greift noch nicht die großen Brocken an", so Projektleiter Holldack. "Es würde schließlich bedeuten, sich gegen das kapitalistische System zu stellen".

Und dieses verursacht am Theater zum Beispiel eine dauerhafte Überproduktion. Theater sind wie andere Betriebe auch gezwungen, immer noch mehr Neues und damit eben neu am Spielplan Verkaufbares zu produzieren. Am Schauspielhaus Graz sind es zehn Großproduktionen pro Spielzeit. Runterkommen muss man auch von der damit zusammenhängenden Geschwindigkeit, die in den Arbeitsabläufen hohen Druck erzeugt und damit auch schnelle und billige Lösungen erzwingt. Daraus folgt beispielsweise der Griff zum Billig-T-Shirt oder die rasche Onlinebestellung.

Auf wessen Rücken?

Ganz viel von diesem Verschwendermodus komme aus vererbten Hierarchien und alten Arbeitsweisen, so Regieassistentin Anne Mulleners, die in Graz in der Arbeitsgruppe Rassismus und Sexismus aktiv ist. "Es geht auch darum, Top-down-Entscheidungen zu hinterfragen, etwa von der Regie zum Kostümbild", sagt sie. Ihr Kollege aus der Diversitätsgruppe, Timo Staaks, fragt sich: "Auf wessen Rücken machen wir Theater, von wessen Rücken müssen wir runtersteigen. Welche Kunst machen wir für wen?"

Alles zusammengerechnet steht am Ende dieser Debatte eine regelrechte Unternehmenstransformation, die in nächster Zeit auf Theater zukommt. Das Schauspielhaus Graz, das nun an die Umsetzung geht, ist dafür gut gerüstet. Ziel ist es, "das nachhaltige Arbeiten zum integralen Bestandteil des Schauspielhauses zu machen. Es hat ja kein Ende", so Holldack. "Wenn wir es konsequent denken, werden wir eine andere Kunst machen und andere Sehgewohnheiten brauchen."

Theater bleibt also einem steten Erneuerungsprozess ausgesetzt – die designierte Leiterin in Graz, Andrea Vilter, wird sich ab 2023/24 damit konfrontieren müssen. (Margarete Affenzeller, 11.5.2022)