Das kleine Österreich konnte in den Zeiten des Kalten Kriegs nach 1945 einen skurrilen Beitrag zum Spionagekrieg Ost gegen West unter der Wahrnehmungsgrenze der Besatzer liefern. Die Idee der Bundesregierung für ein Verteidigungsministerium beendeten die Russen mit einem "Njet": keine Armee, kein Ministerium. Die österreichische Lösung: Ab 1947 begann ein kleiner Kreis von Experten rund um den späteren Generaltruppeninspektor des Bundesheers, Emil Spannocchi, mit Planspielen hinsichtlich eines zukünftigen Heeres, sicherheitshalber als Beamte in diversen Ministerien versteckt.

Saurer-Schützenpanzer: Der 1952 bis 1955 entwickelte Prototyp, heute Bestandteil der Panzersammlung des Heeresgeschichtlichen Museums ...
Foto: Stockinger

Später stieß Generaloberst a. D. Erhard Raus, den Julius Raab sogar als Verteidigungsminister vorschlug, zu der Gruppe. 1952 war die theoretische Planung einer 50.000-Mann-Truppe weit gediehen, unabhängig davon hatten die Amerikaner mit der B-Gendarmerie bereits eine kleine Armee aufgestellt. Die Engländer vergruben Waffen bei Mönichkirchen und im Lainzer Tiergarten – vorgesehen für Partisanen bei einem Einfall der Russen.

Die Ausrüstung sollte kein Problem sein, der geheime Militärzirkel beabsichtigte, sich an der Shoppingliste des Weltmarkts zu orientieren. Das Geschenk der Amerikaner 1955 – sie hinterließen Österreich die Ausrüstung für zwei Divisionen – war da noch nicht zu ahnen. Zahlreiches schweres Gerät wurde aufgelistet, nur die Position "Schützenpanzer" blieb leer. Der Markt bot um 1952 und auch später keine modernen Typen an, die Amerikaner kassierten nach 1955 sogar vom Bundesheer die geschenkten, veralteten M4- (Sherman) und M21-Schützenpanzer aus dem Zweiten Weltkrieg für den Sechs-Tage-Krieg Israels.

Muster: RR-7

Die Alternative lautete: Wir bauen das Fahrzeug selbst. 1952 eine mutige Entscheidung, wenngleich das Know-how kein Problem war: Produzenten wie Steyr und Saurer lagen nicht in der russischen Zone, das technische Mastermind hieß Ottokar Patzl, als Steyr-Konstrukteur Experte für Kettenfahrzeuge.

Als Muster diente der 1937 für das Bundesheer entwickelte Artillerieschlepper RR-7 mit 70-PS-Saurer-Diesel, mobil mit Rädern oder Ketten, der Antriebswechsel erfolgte in vier bis sieben Sekunden, die österreichische Post verfügt noch über das einzige noch fahrbare Modell.

... war oben noch offen.
Foto: Stockinger

Das wichtigste Kriterium des Projekts: absolute Geheimhaltung vor den Sowjets. Saurer sollte den Bereich Antrieb abdecken, das Voest- Werk in Liezen, später "berühmt" geworden im Zusammenhang mit den GHN-45-Kanonen, zeichnete für den Aufbau verantwortlich.

Als Antrieb schlug Saurer seinen V8-Diesel 3 H mit 200 PS und 11,4 Liter Hubraum vor, das manuelle RR-7-Getriebe mit vier Vorwärtsgängen schien die beste Lösung zu sein. Die Ketten des Fahrwerks kamen aus Deutschland und sind ursprünglich für Baumaschinen entwickelt worden. 1953 bis 1954 waren alle Komponenten vorhanden, eine Finalisierung mit Fahrversuchen oder Geländeerprobung in der Besatzungszeit war da aber noch undenkbar.

Das Bundesheer nach 1955 verlangte ein nach oben offenes Vollkettenfahrzeug mit voller Geländetauglichkeit auch bei Schnee und Schlamm. Saurer erhielt am 8. Februar 1957 einen mit 1,5 Millionen Schilling dotierten Auftrag, den Prototyp eines Schützenpanzers zu entwickeln, wobei natürlich die vorherigen geheimen Entwicklungsarbeiten inklusive vorhandener Teile in das Projekt Eingang fanden.

Unwürdig als Schneepflug

Die technische Vorgabe des Bundesheeres liest sich wie folgt: Vollkette, vergleichbar mit einem Kampfpanzer, ein offener Kampfraum, genügend Platz für die Schützengruppe und ein Maschinengewehr mit 2-cm-Kaliber, frontaler Panzerschutz gegen 2-cm-Geschoße, Seilwinde zur Selbstbergung, Druckluftanlage zum Ziehen von Anhängern oder Geschützen, hochwertige Fernmeldetechnik, Basis einer kompletten Fahrzeugfamilie.

Protoyp bei der Erprobung – das spätere, breitere und oben geschlossene Serienmodell bot einen deutlich besseren Schutz.
Foto: Heeresgeschichtliches Museum

Der Prototyp lief unter der Modellbezeichnung 4K3H, optisch ähnlich dem früheren deutschen Schützenpanzer Kfz 251, den nach dem Krieg die Tschechen weiterhin bauten. Der geplante Saurer-V8-Motor 3H wurde ins Projekt übernommen, das Gewicht sollte mit zwei Tonnen, die Breite auf zwei Meter begrenzt bleiben. Die Erprobung des Prototyps erfolgte in Hörsching und Bruck/Leitha, zur Enttäuschung des Konstruktionsteams erfüllte das Unikat nicht die Kriterien.

Das hatte mehrere Gründe. Die stirnseitig angebrachten Luftansaugschlitze bildeten bei Beschuss einen Kugelfang, die enge hintere Eingangstüre behinderte voll ausgerüstete Soldaten bei Ein- und Ausstieg, und er war zu schmal. Das Kettenfahrwerk erwies sich im Gelände als nicht zuverlässig, vermutlich wäre eine Vorderachse mit Rädern zielführender gewesen. Das Ausgedinge dieses Fahrzeugs als Schneepflug war dennoch unwürdig. Heute hat es restauriert seinen gebührenden Platz in der Panzerhalle des Heeresgeschichtlichen Museums.

Nach Zurückweisung des ersten Prototyps bekam Saurer 1957 erneut einen Auftrag für die Entwicklung eines Schützenpanzers, diesmal mit Sechs-Zylinder-Motor und oben geschlossen, wobei Elemente aus den vorherigen Entwicklungen in das Projekt einflossen. Aber die Historie der Entwicklungsarbeit, unentdeckt unter den Augen der Russen, macht das Bundesheer noch heute stolz. (Peter Urbanek, 2.6.2022)