Die Welt in einer Nussschale: Seemann Enoch Arden (Markus Butter) hat seine Taschen mit Steinen vollgefüllt.

Foto: Herwig Prammer

"Das Leben geht weiter", weiß der Seemann Enoch Arden am Ende von Ottmar Gersters gleichnamiger Oper, stopft seine Taschen mit Steinen voll und stürzt sich ins Meer. Die Gattin hat den Verschollenen nach zwölf Jahren nicht mehr wiedererkannt. Das Leben, es geht auch für Roland Geyer weiter. Sechzehn Jahre war er Kapitän des Theaters an der Wien.

In der Kammeroper, dem Beiboot des Mutterschiffs, fand der scheidende Intendant noch Zeit für die Dekonstruktion des Librettos: Das Leben des Freigeists wird nun als halluzinatorische Retrospektive erzählt. Regisseur David Haneke bietet optischen Genuss in Form von Sonnenuntergängen und Meer. Das Wiener Kammerorchester wird mal in großer Besetzung zugespielt (wie auch der Arnold Schönberg Chor) und spielt mal in kleiner Besetzung live (die Kammerorchesterfassung von Matthias Wegele).

Unter der Leitung von Walter Kobéra entfaltet sich ein handgezimmerter, wackeliger Sound: So muss das gemäßigt-moderne Werk bei der Uraufführung 1936 geklungen haben. Verwegen, mit mächtigem Bariton Markus Butter in der Titelpartie, flach der Tenor seines Gegenspielers Klas (Andrew Morstein). Der Sopran von Valentina Petraevas Annemarie schmerzt wie ein Zahnbohrer. Egal: Das Opernleben geht weiter. Bis 11. 6. (Stefan Ender, 19.5.2022)