Tosender Applaus war angesichts des Endes der Begutachtungsfrist zum Gründungsgesetz für die neue Linzer Technische Universität (TU) nicht erwartet worden. Und doch ist es durchaus überraschend, wie scharf die Kritik in den Stellungnahmen letztlich ausfiel. Das Projekt war von Anbeginn umstrittenen.

TU-Aufreger: JKU-Rektor Meinhard Lukas ortet eine Themenverfehlung, Kunst-Uni-Rektorin Brigitte Hütter sieht darin "kein Leuchtturmprojekt".
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Enormer Gegenwind kommt nun vor allem aus dem universitären Bereich. Man hat Bedenken hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs, des Zeitplans sowie der Finanzierung und befürchtet, die Freiheit der Wissenschaft werde ausgehebelt. Senat und Betriebsrat der Linzer Johannes-Kepler-Universität (JKU) bezweifeln gar, dass es sich wirklich um eine TU handelt.

Doch auch im Rektorat selbst erachtet man das Konzept, wie es im Entwurf für das Gründungsgesetz steht, als deutlich zu unpräzise und mager. Für Rektor Meinhard Lukas steht vielmehr fest, dass mit diesem Konzept "keine erfolgreiche Technik-Uni zu schaffen ist".

"Jahrhundertchance" nicht wahrgenommen

Für Lukas wäre es ein "unglaubliches Versäumnis, jetzt die Jahrhundertchance einer echten TU für Oberösterreich nicht wahrzunehmen, weil man sich aus Aktualitätsgründen auf eine Themenuniversität beschränken will". Themen seien Moden unterworfen. Lukas: "Zu einer echten Technischen Universität gehört etwa ein Fächerkanon aus ingenieurwissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fächern." Wichtig sei es, Strukturen zu bauen, die solide und offen seien.

Das vorliegende Konzept – so kritisierte es die Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz, Sabine Seidler – zeige eine "extrem einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der oberösterreichischen Industrie und damit einhergehend eine bedrohliche Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre".

Bildungsminister Martin Polaschek hält an der neuen TU in Oberösterreich – die noch Vorgänger Heinz Faßmann angeleiert hatte – fest: Es gebe einen "klaren politische Beschluss", eine technische Uni zu errichten. Begründung für die Sorge der anderen Universitäten, dass sie durch die Neugründung finanzielle Nachteile ereilen würden, sieht man im Ministerium nicht: Dies sei ein "Missverständnis". Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Unis kein Geld verlieren.

Der Druck kommt in Oberösterreich einerseits von politischer Seite, anderseits vor allem aus dem Wirtschaftseck. Landeshauptmann Thomas Stelzer (VP) zeigt zwar Verständnis für die zahlreichen Stellungnahmen, plädiert aber dennoch für eine "rasche" Gründung der Uni. Rückdeckung kommt vonseiten der Industriellenvereinigung. Deren Geschäfts führer, Joachim Haindl-Grutsch, befürwortet "ausdrücklich" den vorliegenden Gesetzesentwurf: "Notwendig ist ein Schulterschluss für das Jahrhundertprojekt statt Grabenkämpfe."

Ohne Strategie

Deutlich weniger entspannt sieht man die Situation hingegen an der Linzer Kunst-Uni. Rektorin Brigitte Hütter ortet im STANDARD-Gespräch rund um das TU-Projekt ein "strategisches Schwarzes Loch".

Diskussionen müsse es in einem Gründungsprozess geben, aber: "Die TU betreffend vermisse ich gerade diesen Diskussionsprozess, weil die Gruppen, die diskutieren, nicht so zusammengesetzt wurden, dass sich die verschiedenen Meinungen auch tatsächlich abbilden." In dem aktuellen Entwurf sei "nicht einmal der Ansatz einer Strategie oder einer strategischen Ausrichtung erkennbar". Hütter: "Es ist darin eine Breite, die alles abbildet. Vom Digitalisierungsmanager, der von der Industrie gefordert wird, bis hin zum digitalen Humanismus und der Kunst wird alles angeführt. Hingegen ist etwa die Rolle der technischen Disziplinen, der Mathematik, der Informatik, noch völlig unklar."

So werde die TU "kein Leuchtturmprojekt" und bringe "keinen Mehrwert für den heimischen Bildungsstandort". Die Kunst-Uni-Rektorin plädiert daher, auf die Bremse zu steigen: "Man muss jetzt Tempo herausnehmen. Die TU darf nicht die verlängerte Werkbank der Wirtschaft werden." Passiere diese Neustrukturierung nicht, drohe das vorzeitige Aus für die neue Uni: "Das Projekt steht auf der Kippe – 50:50." (Oona Kroisleitner, Markus Rohrhofer, 18.5.2022)