Das Europaparlament möchte, dass prominente deutsche und österreichische Bürger, die den Kriegsaggressor Wladimir Putin (indirekt) unterstützen, mit Sanktionen belegt werden. Wenn sie zum Beispiel ihre lukrativen Positionen in der russischen staatlichen Energiewirtschaft nicht zurücklegen. Die Rede ist auch von Einfrieren von Vermögen.

Am Donnerstag kam im EU-Parlament ein entsprechender Beschluss mit großer Mehrheit zustande. Die Aufforderung zum Handeln ergeht an den Europäischen Rat, das höchste Exekutivorgan der EU. Betroffen sein sollen der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder und die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl.

Die ehemalige österreichische Außenministerin Karin Kneissl mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.
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Der Beschluss hatte Wirkung: Am Freitag gab Schröder seinen Posten bei dem russischen Energieriesen Rosneft auf. Ob er Aufsichtsrat bei Gazprom wird, ist unklar. Bei der Nord Stream AG hat er auch noch eine Position.

Kneissl ist Aufsichtsrat von Rosneft und hat einen Bloggervertrag mit Putins Propagandasender Russia Today, der in der EU verboten wurde.

Sanktionen gegen prominente Unionsbürger, die Interessen des Aggressors Russland unterstützen, kann man politisch argumentieren. Aber auf welcher Rechtsgrundlage soll das geschehen? Wie ist dieser Eingriff in Grundrechte – laut österreichischer Verfassung gehören das Recht auf Eigentum und das auf Erwerbsfreiheit dazu – mit dem Rechtsstaat vereinbar?

"Heikel", sagt dazu ein österreichischer Verfassungsrechtler. Aber es geht. Eingriffe in bestimmte Grundrechte (außer denen, die vor Folter, Sklaverei oder willkürlicher Ermordung schützen) sind, laienhaft erklärt, möglich, wenn es das allgemeine Wohl oder übergeordnete Ziele erfordern – wenn der Europäische Rat der Meinung ist, dass Schröder und/oder Kneissl durch ihre Aktivitäten den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen. Und wenn das einer Klage standhält.

Politische Unterstützung

Schröder und Kneissl würden demnach "gelistet" werden – ebenso wie verschiedene russische Oligarchen, aber auch russische Medienpersönlichkeiten, deren Villen und Yachten in der EU beschlagnahmt und deren Konten eingefroren wurden. Die Basis dessen sind die Prinzipien in Bezug auf Sanktionen, die sich die EU schon vor 20 Jahren gegeben hat. Es gilt: Wer den Krieg Putins irgendwie unterstützt – durch hetzerische Auftritte im TV, durch wirtschaftliche Tätigkeit für den Krieg oder eben durch Beratung kriegswichtiger russischer Konzerne –, kommt auf die Sanktionsliste. Es sind auch Oligarchen darauf, die knapp vor dem Krieg von Wladimir Putin zur Information und Befehlsausgabe in den Kreml zitiert wurden.

Haben Schröder und Kneissl mit ihrer Beratungstätigkeit die Kriegsziele Russlands unterstützt? Kein ganz leichtes Beweisthema. Immerhin haben die beiden den Krieg mehr oder weniger als Unglück bezeichnet, allerdings nicht klar den Schuldigen benannt. Die sture Weigerung der beiden, den Krieg klar zu verurteilen, kann man aber als fortdauernde politische Unterstützung interpretieren. Die beiden Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und Christian Kern haben sich schnell aus ihren Aufsichtsratspositionen (Schüssel Lukoil, Kern Staatsbahnen) zurückgezogen. Mit Öl und Bahnen führt man Krieg.

Einige Oligarchen haben gegen ihre "Listung" bereits geklagt. Aber Schröder und Kneissl sind ja noch nicht auf der Liste. Gehören sie dahin? Wenn man der Meinung ist, dass sie ideell einen Angriffskrieg unterstützen, dann ja. Dass beide ohnehin sozial erledigt sind, ist wieder eine andere Sache. (Hans Rauscher, 20.5.2022)