Vier Jahre ist es her, da übernahm Michael Ludwig (SPÖ) das Amt des Wiener Bürgermeisters. Dass seine ersten Jahre im Job derart beweget sein werden, konnte bei seiner Wahl als Chef der Stadtroten niemand erahnen. Damals, beim SPÖ-Landesparteitag im Jänner 2018, setzte sich Ludwig bei der ersten Kampfabstimmung der Wiener Parteigeschichte mit 57 Prozent der Delegiertenstimmen gegen den späteren SPÖ-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Andreas Schieder, durch. Bei seiner Bestätigung nach nur knapp einem Jahr überzeugte Ludwig bereits 90,8 Prozent der anwesenden Mitglieder. Dies ist für den SPÖ-Chef auch die Messlatte für den anrauschenden Landesparteitag. Am Wochenende stellt sich Ludwig erneut der Wiederwahl. Vorab gibt sich die Partei geschlossen.

Am 24. Mai übernahm Michael Ludwig das Amt des Bürgermeisters, wenige Tage später wurde er von Bundespräsident Alexander Van der Bellen auch als Landeshauptmann angelobt.
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Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause und Verschiebungen treffen sich die Genossinnen und Genossen der Hauptstadt-SPÖ am Samstag in der Messe Wien. Neben Ludwig ist auch Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner als Rednerin angekündigt.

Streitthema Lobau

Abseits der Chefwahl und der Ansprachen stimmen die rund 1000 Delegierten über mehr als 60 Anträge ab. Große Konflikte werden nicht erwartet. Für Debatten könnte der Plan sorgen, den Parteitag nur noch alle zwei Jahre in seiner vollen Pracht abzuhalten. Stattdessen soll es jedes Jahr eine abgespeckte Variante mit mindestens 400 Delegierten geben.

Ein wenig Spannung in die Sache könnten der durch die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler gestoppte Lobautunnel und die Stadtstraße in der Wiener Donaustadt bringen. Erst am Mittwoch besetzten Klimaaktivistinnen und Umweltschützer erneut eine Baustelle des umstrittenen Verkehrsprojekts. Nach nur kurzer Zeit würde der Protest bei der U2-Station Hausfeldstraße von der Polizei aufgelöst. Dort, wo sich einst über mehrere Monate das große Protestcamp gegen das Bauvorhaben samt der bekannten Holzpyramide befand, das Anfang Februar mit einem massiven Polizeiaufgebot geräumt worden war. Auch am Mittwoch kam es zu dutzenden Festnahmen.

"Die Stadt der kurzen Wege" lautet der Titel eines Leitantrags der Parteispitze, der von der – innerparteilich durchaus umstrittenen – Antragsprüfungskommission zur Annahme empfohlen wird. Darin enthalten: ein klares Bekenntnis der Genossinnen und Genossen zur Stadtstraße und dazu, dass "die Stadtentwicklung im Nordosten Wiens entlang der U2 nicht durch fehlende Straßenanbindungen gestoppt werden" darf, wie es im Beschlusspapier heißt. Die SPÖ solle sich demnach für die "Realisierung der Stadtstraße als Gemeindestraße" mit Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern aussprechen, die "rund zur Hälfte untertunnelt und die restliche Strecke zwei bis drei Meter tiefergelegt ist".

Auch mit der Bundespartei und Chefin Pamela Rendi-Wagner versteht sich der Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig blendend.
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Dem gegenüber steht ein Antrag der Jungen Generation sowie der Bezirksorganisation Alsergrund: Unter der Überschrift "Zukunftsperspektive statt Tunnelblick" wird ein klares Nein zur Stadtstraße Aspern, der S1-Spange sowie zur Lobauautobahn gefordert. Empfehlung: Ablehnung. Der Diskussion am Samstag möchte man in der SPÖ-Alsergrund übrigens nicht vorgreifen. Nur so viel wird dort kommentiert: Die Bezirkspartei habe einen entsprechenden Beschluss auf ihrer Bezirkskonferenz mit Weiterleitung an den Landesparteitag gefasst. Das geschehe nun.

Kein Zwist in der Koalition

Der Lobautunnel und die damit verbundene Stadtstraße ist aber bekanntlich nicht nur innerhalb der SPÖ ein Streitfall – einer, den Ludwig noch von seinem Vorgänger Michael Häupl geerbt hat. Abseits von Umweltaktivistinnen sind es vor allem die Grünen, die sich gegen das Bauvorhaben stemmen. Den von Ludwigs Vorgänger Häupl zuletzt gewählten, kleinen Koalitionspartner hat der amtierende Bürgermeister nach der Wien-Wahl im Oktober 2020 bekanntlich gegen die Neos ausgetauscht.

Mit Christoph Wiederkehr als seinen pinken Vize rief Ludwig – der das Ergebnis der SPÖ um rund zwei Prozentpunkte auf 41,6 Prozent anheben konnte – die erste sozialliberale Zusammenarbeit auf Landesebene aus. Damit setzte er sich nicht nur von Häupl in der Farbgebung der Koalition ab, sondern wählte auch den kleinstmöglichen Juniorpartner. Mit nur 7,5 Prozent war das pinke Ergebnis nur halb so stark wie das der Grünen. Die Übermacht der SPÖ betonte er von Beginn an.

Mit Christoph Wiederkehr und den Neos hat Michael Ludwig sich einen neuen kleinen Koalitionspartner gesucht.
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Diese spiegelt sich auch im Arbeitsübereinkommen der selbsternannten Fortschrittskoalition wider. Den pinken Faden findet man vor allem in puncto Transparenz. Das zeigt sich auch an der geplanten Nordostumfahrung: Zwar sind auch die Neos gegen den Tunnelbau, aber sie halten sich mit Kritik zurück. Sonst ist es ein tiefrotes Programm.

Doch vieles, das sich Ludwig nach seiner Wahl als SPÖ-Chef vorgenommen hat, wurde durch ein anderes Thema verdrängt: Corona. Seit im Februar 2020 die ersten Fälle in Wien bestätigt wurden, entwickelte sich der Bürgermeister immer mehr zum Pandemiemanager der Stadt – und zum Hardliner, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen ging.

Ausstehende Leuchttürme

Überschattet hat die Pandemie nicht nur das erste Jahr Rot-Pink, sondern auch andere, von Ludwig schon bei seiner allerersten Klubtagung als "Leuchtturmprojekte" klassifizierten Vorhaben: Wiens erster Supergreißler wurde zwar 2019 eröffnet. Von einem flächendeckenden Ausbau der Nahversorger, die zusätzlich auch andere Aufgaben wie beispielsweise Paketservices anbieten, kann man aber nicht sprechen.

Und wie sieht es mit den Plänen an der Donau aus? Die für den 22. Bezirk angekündigte Bühne sucht man in der Donaustadt noch vergebens. Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) erteilte dem Prestigeprojekt Ludwigs im vergangenen Herbst eine Absage. Laut dem privaten Projektleiter der Donaubühne gebe es aber noch Gespräche mit der Stadt, hieß es jüngst zum STANDARD.

Auf die Umsetzung der "Leuchtturmprojekte" von Michael Ludwig muss man noch warten.
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Die vom Stadtchef ursprünglich als Mehrzweckhalle titulierte Eventarena für 20.000 Besucherinnen ist da etwas weiter. 2020 wurde ein Siegerentwurf präsentiert, dessen Umsetzung bis 2025 in Neu Marx geplant war. Doch auch dieses Vorhaben verzögert sich. Laut einem Stadtrechnungshofbericht wird die Halle frühestens im Jahr 2028 – wenn nicht sogar erst im Jahr 2029 – fertiggestellt. (Oona Kroisleitner, 26.5.2022)