Der neue Fokus auf psychische und mentale Belastungen erzwingt Diskussionen über Arbeitsbedingungen.

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Zoom Fatigue, Isolation im Homeoffice, entgrenzte Arbeitszeit. Die Covid-Arbeitsgesellschaft hat jetzt einige neue Begrifflichkeiten, die allesamt die Arbeitsgesundheit betreffen. Im Frühling brachte die Fachzeitschrift Psychologie Heute noch ein neues Wording in die Arbeitspsychologie ein: Burn-on.

Das beschreibt Menschen, die unter Aufbringung aller Kräfte immer weiter (fast) alle Energie in ihren Job stecken und nicht damit aufhören. Sich nicht schützen, nicht pausieren, sich völlig der vermeintlich wichtigsten Lebensaufgabe – einen immer noch tolleren Job zu erledigen – hingeben. Allerdings werden sie nicht "auffällig" durch Burnout-Symptomatiken, sondern wischen alle Warnzeichen weg, sanieren hier und da selbst, verbleiben mit aller Kraft im Dauerleistungsrad.

Arbeit quasi als Droge. Solches Verhalten mag nicht ganz neu sein und wurde vor Covid wahrscheinlich als Workaholism oder als Arbeitssucht beschrieben. Oder als eine der Burnout-Vorstufen. Dies allerdings eher mit tabuisierendem Beigeschmack – süchtig zu sein, das lässt sich schwer als positive Zuschreibung oder als Verdienst qualifizieren.

Zugang zu Hilfe

Der neue Begriff des Burn-ons macht es leichter, macht es besser zu besprechen und öffnet damit auch viel bessere Zugänge für Hilfe. Der neue Fokus auf psychische und mentale Belastungen erzwingt Diskussionen über Arbeitsbedingungen. Damit öffnen sich für Unternehmen neue Chancen im betrieblichen Gesundheitsmanagement – das Ansprechen durch Kolleginnen und Vorgesetzte wird weniger schwierig. Zugleich neigt sich die Ära, in der es auf dem Kampffeld des Joberfolgs gewürdigt wurde, möglichst nichts zu fühlen (bis zum Umfallen), dem Ende zu.

"Das Land der Empfindsamen" titelte die Zeit in der Vorwoche und stellte eine Taschentuch-Box als Bild dazu. Auf diese Debatte sollten wir uns einlassen. Dass als "überempfindlich", "schwach" oder "zu emotional" gilt, wer den Regeln nicht gehorchen kann oder will, ist ein starkes Dogma. Es wird nicht einfach verschwinden, wir müssen es schon besprechen. Jedenfalls: Von Long Covid bis Burn-on gilt Wegschauen und Marginalisieren von ein paar wenigen, "nicht ganz so outputstarken Mitarbeitern" nicht mehr.

Es geht jetzt tatsächlich um das Herzstück jeder Organisation, um ihre Menschen. Und damit um handfeste betriebswirtschaftliche Auswirkungen, wenn nicht alles getan wird, um die Menschen beim Gesundbleiben oder -werden zu unterstützen. Denn es fallen nicht nur ein paar wenige aus, es verweigern nicht nur ein paar wenige. (Karin Bauer, 29.5.2022)