"Fluigengagga" nannten sie es in meiner Kindheit in Tirol – Fliegenkot, auf gut Deutsch, der sich da um meine Nase angesammelt habe. Eine wirklich bösartige Bezeichnung für die Tupfen, die pünktlich mit den ersten Schneeglöcklein jedes Jahr in meinem Gesicht zu sprießen begannen! Denn Sommersprossen galten bis vor wenigen Jahren noch als Schönheitsmakel.

Dabei handelt es sich bei den "Gugerschecken", wie sie in Österreich auch genannt werden, um harmlose und weitverbreitete Pigmentflecken. Einfach erklärt sind die Punkte eine Ansammlung von Zellen, in denen besonders viel Melanin konzentriert ist. Jenes Pigment, das dafür verantwortlich ist, dass unsere Haut in der Sonne dunkler wird. Deshalb sprießen sie im Sommer ganz besonders fleißig.

Eine Frage der Gene

Ob man Sommersprossen bekommt oder nicht, ist genetisch bedingt, durch das Gen MC1R. Dieses tragen vor allem rothaarige Menschen in sich. Bei ihnen sind Sommersprossen deshalb typisch. Das Gen kommt außerdem besonders häufig bei sehr hellhäutigen Menschen vor.

Menschen mit dem Gen MC1R neigen zu Sommersprossen.
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Während aber blasse Haut an sich historisch meist positiv bewertet wurde, waren Sommersprossen vielfach nicht gern gesehen. Im viktorianischen Zeitalter war etwa ein möglichst ebenmäßiger Teint gefragt. Sommersprossen wurden als störend empfunden. Auch deshalb, weil sie wie gebräunte Haut mit körperlicher Arbeit im Freien assoziiert wurden, wie sie das einfache Volk verrichten musste. Darum griff man zu Puder und Medikamenten zur Hautaufhellung, die mitunter giftige Substanzen enthielten, um die Tupfen zu verdecken.

Tupfentrend

Doch mit Sprossen-Shaming ist es heute vorbei: Die "Freckle Mania" ist ausgebrochen. Mit einiger Genugtuung beobachten sommersprossige Typen seit einigen Jahren, dass sich die Fliegenkotkommentare in Komplimente und sogar Neid verwandelt haben.

Dass die Tupfen heute Trend sind, passt zum veränderten Bild von Wohlstand. Während im vorletzten Jahrhundert ein schattiges Plätzchen in einem vornehmen Salon als Luxus galt, ist es heute ein Jetset-Lifestyle mit Outdooraktivitäten en masse. Und während übermäßige Sonnenbräune aus gesundheitlichen Gründen zunehmend als "out" gilt, erzählen Sommersprossen auf subtilere und gesündere Weise dieselbe Geschichte.

Fake-Flecken

Wem nun die Gene für Sommersprossen oder die Zeit fürs Sonnentanken fehlen, der greift zu Hilfsmitteln. Auf den Videoplattformen Youtube und Tiktok finden sich tausende Anleitungen, wie man sich "Fake Freckles" ins Gesicht zaubert. Die Palette reicht von eigenen "Freckle Pens" bis zu länger haltenden Varianten mit Henna.

Und es geht noch endgültiger: Zahlreiche Permanent-Make-up-Studios haben tätowierte Sommersprossen nebst Augenbrauen und Lidstrich längst im Repertoire. Das einzig Verräterische daran: Die Tattootupfen bleiben auch im Winter sichtbar! (Antonia Rauth, RONDO exklusiv, 11.7.2022)