Drei Straßenkilometer mit je zwei Fahrspuren und Tempo 50 haben einen tiefen Keil in die Wiener SPÖ getrieben. Für ihre Funktionäre ist die Stadtstraße eine dringend benötigte Verkehrsverbindung für die rasch wachsende Seestadt Aspern. Für die Parteijugend und all jene, die vor allem den Klimakollaps fürchten, ist das Bauprojekt das Symbol für eine überholte Verkehrs- und Umweltpolitik.

Protest gegen die Wiener Stadtstraße und den Lobautunnel.
Foto: IMAGO/SKATA

In der großen Erzählung haben die Gegner recht: Neue Straßen verhindern keine Staus, sondern ziehen noch mehr Autoverkehr an. Aber im Detail ist der Kampf gegen die Stadtstraße genauso verfehlt wie jener der westösterreichischen Naturschützer gegen Windmühlen – Pardon, Windräder.

Die Bewohner der neuen Wohngebiete in der Donaustadt benötigen trotz guter Öffi-Anschlüsse eine Straßenverbindung, die nicht durch enge Gassen führt. Deshalb wird die Stadtstraße gebaut werden. Im Kampf gegen die Bagger drohen jedoch wichtigere Anliegen unter die Raupen zu kommen.

Es gibt in Wien zu viele Autostellplätze oberhalb und unterhalb der Erde; es gibt zu wenige Bäume und zu wenige breite Radwege. Es gibt zu viele Gasthermen und weit und breit kein Konzept für eine fossillose Energiezukunft.

Politische Kampagnen benötigen Symbole, um Aufmerksamkeit zu erregen und Emotionen zu erwecken. Aber Klimapolitik ist – um Max Weber zu zitieren – vor allem das Bohren harter Bretter. Und das kommt in diesem Streit zu kurz. (Eric Frey, 30.5.2022)