Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein, das vermeintliche Traumpaar der Reichen und Schönen.

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Wien – Ihre Opfer waren meist zwischen 14 und 17 Jahre alt, kamen oft aus ärmlichen Verhältnissen und wurden teilweise direkt vor Schulen angesprochen. Angelockt mit Geld für Massagen und der Aussicht auf ein besseres Leben, sollen dutzende Mädchen über Jahrzehnte auf den Anwesen in New York, Florida, Santa Fe und auf den Virgin Islands missbraucht worden sein. Während sich US-Multimillionär und Investmentbanker Jeffrey Epstein seiner sicheren Verurteilung durch Suizid im August 2019 entzog, wurde seine langjährige Partner, die Britin Ghislaine Maxwell im Dezember 2021 schuldig gesprochen.

Maxwell soll als Drehscheibe beim Aufbau eines Rings zum sexuellen Missbrauch junger Mädchen fungiert haben und sich selbst an Mädchen vergangen haben. Wie perfide das System Epstein/Maxwell funktionierte, rollt Sky ab Freitag mit der vierteiligen Doku-Serie "Ghislaine Maxwell – Partner in Crime" neu auf. Die ersten zwei Teile sind ab 20.15 Uhr bei Sky Documentaries zu sehen.

Strafmaß steht noch nicht fest

Auch wenn bereits vieles bekannt ist, so zeichnet die Produktion ein detailliertes Psychogramm der 60-Jährigen, die als jüngstes von neun Kindern in der Nähe von Oxford aufgewachsen ist, und rekonstruiert noch einmal den Missbrauchsprozess, der zu ihrer Verurteilung führte. In den Zeuginnen- und Zeugenaussagen wird ein Netzwerk beschrieben, das hunderte Frauen und Mädchen missbrauchte. Maxwells Strafmaß könnte noch im Juni verkündet werden. Ihr drohen 55 Jahre Haft.

In der Doku-Serie kommen beispielsweise Maxwells Geschwister Ian, Kevin und Isabel Maxwell, die von ihrer Unschuld überzeugt sind, sowie Freunde und Freundinnen, Prozessbeobachterinnen, Rechtsexperten und nicht zuletzt ihre mutmaßlichen Opfer zu Wort. Im Fokus steht auch die Rolle von Prinz Andrew.

Medienimperium und Schulden

Ghislaine Maxwells Vater war der einflussreiche Verleger und Ex-Labour-Politiker Robert Maxwell. Der cholerische Patriarch besaß etwa mehrere der auflagenstärksten britischen Zeitungen, darunter den "Daily Mirror", sowie die New Yorker Zeitung "Daily News". Außerdem gründete er die Wochenzeitung "The European", für die später auch seine Tochter Ghislaine arbeiten sollte. Robert Maxwell orchestrierte mit eiserner Hand ein Zeitungsimperium, das allerdings auf Sand gebaut war. Mit den Übernahmen verschiedener Medien und Verlage hatte er sich stark verschuldet. Am Ende waren es über drei Milliarden Euro.

Nach seinem mysteriösen Tod im Jahr 1991 auf seiner Yacht Lady Ghislaine, benannt nach seiner Tochter, wurde bekannt, dass er Bilanzen gefälscht und den Pensionsfonds seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geplündert hatte. Ein Erdbeben im Maxwell'schen Familienreich, das zur vorübergehenden Festnahme zweier seiner neun Kinder führte. Sie wurden 1996 freigesprochen.

Neues Leben in New York

Nach Robert Maxwells Tod ging seine Tochter Ghislaine Anfang der 1990er-Jahre nach New York, wo sie den Investmentbanker Jeffrey Epstein kennenlernte und an seiner Seite zum Liebling der High Society avancierte. Von Bill Clinton bis Donald Trump umgaben sich unzählige Politiker und Prominente mit Epstein und Maxwell und gaben sich bei den Partys im New Yorker Domizil die Klinke in die Hand. Maxwell wird als charmante Gastgeberin und begnadete Netzwerkerin beschrieben sowie als Gegenpol zu Epstein, dem Reserviertheit und Kaltschnäuzigkeit attestiert wurden.

Ghislaine Maxwell und Jeffrey Epstein.
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Irgendwann muss der Knackpunkt gekommen sein, der sie zum Rad seiner Missbrauchsmaschinerie werden ließ. Über den Auslöser herrscht Rätselraten. Manche Psychologinnen und Reporter bringen den überlangen Schatten ihres Vaters und dessen zahlreiche Affären ins Spiel, andere sind der Meinung, sie habe sich ihrem Partner Jeffrey Epstein einfach bedingungslos unterworfen. Maxwell soll gegenüber ihren Opfern als Mentorin und Wohltäterin aufgetreten sein, um sie in ein finanzielles und emotionales Abhängigkeitsverhältnis zu manövrieren.

Epstein wurde bereits 2006 verurteilt

Eines steht jedenfalls bei all den Spekulationen fest: Viele müssen Bescheid gewusst haben, damit die Spirale des Missbrauchs über Jahre funktionieren konnte. Epstein wurde ja bereits 2006 wegen der erzwungenen Prostitution einer Minderjährigen zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt, von der er 13 Monate absaß. Die sehenswerte Netflix-Dokuserie "Jeffrey Epstein: Stinkreich" zeigt diesen Skandal in allen Facetten.

"Sie ist das wahre Monster", sagt etwa Virginia Giuffre in der Sky-Dokuserie über Ghislaine Maxwell: "Sie konnte die Verletzbarkeit riechen." Giufrre soll von ihr und Epstein ab dem Alter von 16 zwei Jahre lang sexuell missbraucht worden sein sowie im Jahr 2001 als 17-Jährige von Prinz Andrew. Wie ein "Obstteller" und wie ein "Spielzeug" sei sie von Epstein und seiner Komplizin an Bekannte weitergereicht worden, um missbraucht zu werden, erzählte Giuffre. Sie konnte sich aus ihren Fängen befreien, nachdem sie im Alter von 19 zu einer Massageschulung nach Thailand flog und dort einen Australier kennenlernte.

Virginia Giuffre.
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Erst im Februar 2022 hatte sich Prinz Andrew mit der US-Klägerin Giuffre auf einen Vergleich geeinigt. Britischen Medien zufolge hat Prinz Andrew rund 14 Millionen Euro bezahlt, um dem Prozess zu entgehen. Das Geld soll an eine von Giuffre gegründete Organisation zugunsten von Missbrauchsopfern als auch an die Klägerin selbst geflossen sein.

Isolierte Insel in der Karibik

Eine zentrale Rolle spielte Epsteins abgeschiedene Karibikinsel Little St. James, die er 1998 für rund acht Millionen Euro gekauft hatte. Das idyllische Domizil war per Flugzeug oder Helikopter erreichbar und vor allem eines: Sie lag fernab der Öffentlichkeit. Maxwell hatte einen Helikopterführerschein und konnte die Mädchen selbst auf die Insel bringen, wo sie dann von Epstein vergewaltigt wurden. "Man schreit und wehrt sich nicht, wenn man auf einer isolierten Insel ist", sagte ein Missbrauchsopfer. Und ein anderes ergänzt: "Ghislaine wusste genau, was sie tat. Jedes Mal wenn sich mich anrief, war klar, dass ich vergewaltigt werden würde." (Oliver Mark, 3.6.2022)