Strache muss erneut als Angeklagter im Straflandesgericht Wien Platz nehmen.

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Freunderlwirtschaft ist ein typisch österreichischer Begriff, der viele politischen Enthüllungen der vergangenen Jahre gut zusammenfasst: Nicht ganz korrekt, aber eh nicht so schlimm. Nicht glasklar kriminell, aber doch ein Tanz auf der roten Linie des Strafrechts.

Ein solcher Fall wird seit Dienstag vor dem Straflandesgericht Wien verhandelt. Angeklagt sind Heinz-Christian Strache und der Unternehmer Siegfried Stieglitz; auf der Gegenseite steht eine Oberstaatsanwältin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die ihr zweites Korruptionsverfahren des Ibiza-Ermittlungsakts vor Gericht gebracht hat. Es geht um die Frage, ob sich Siegfried Stieglitz mit Spenden und Reiseeinladungen den Posten als Asfinag-Aufsichtsratsmitglied gekauft habe.

"Ich hab dich lieb"

Strache und Stieglitz seien mehr als Freunderl gewesen, nämlich echte Freunde, argumentierte Johann Pauer, Anwalt des früheren Vizekanzlers. "Steh wieder auf, ich hab dich lieb", habe Stieglitz dem damaligen FPÖ-Chef nach Erscheinen des Ibiza-Videos geschrieben. Und ihn eingeladen, sich eine Weile in Stieglitz’ Haus in Südfrankreich zurückzuziehen, um die Dinge zu verarbeiten, wie der Unternehmer erzählt.

Gekannt hätten sich die beiden da schon fast ein Jahrzehnt lang. 2011 habe Stieglitz den FPÖ-Politiker das erste Mal getroffen, erzählte er bei seiner Stellungnahme. Schnell habe sich ein "ehrliches Verhältnis" entwickelt.

Ein "korrekter Verein"

Schon ein Jahr später habe er mit Strache erstmals das Thema Aufsichtsrat besprochen. Stieglitz, der mit Immobiliengeschäften zum Millionär geworden war, sei es um die Ehre gegangen, er habe die Tätigkeit in Aufsichtsräten staatlicher Unternehmen als gesellschaftliches Engagement gesehen.

Im Jahr 2012 war die FPÖ von einer Regierungsbeteiligung noch weit entfernt; anders war das fünf Jahre später, als Sebastian Kurz die ÖVP-Obmannschaft übernommen hatte und ein baldiges Ende der großen Koalition absehbar war. Im Sommer dieses Jahres seien Stieglitz, Strache und dessen damaliger Vize Norbert Hofer beieinandergesessen, als der FPÖ-Chef plötzlich das Thema Vereinsspenden aufgebracht habe, gab Stieglitz an. Strache präsentierte einen Verein namens Austria in Motion, der FPÖ-nahe sei, aber eben nicht Teil der Partei. Stieglitz habe zugesagt zu spenden, eine Gegenleistung sei "in keinster Weise" vereinbart worden, der Verein sei ihm auch "sehr korrekt" erschienen.

Was zu diesem Zeitpunkt fast niemand wusste: Nur wenige Wochen zuvor war Strache heimlich auf Ibiza aufgezeichnet worden, als er einer falschen Oligarchennichte von Spenden "am Rechnungshof vorbei" über Vereine erzählte – das Video samt den folgenden Ermittlungen führte Strache und Stieglitz nun schlussendlich ins Straflandesgericht.

Damals war all das noch in weiter Ferne. Stieglitz stellte der FPÖ seinen Bus zur Verfügung und retournierte deren Miete dafür dann quasi per Spende an Austria in Motion. Ein verpöntes Motiv dahinter habe es nicht gegeben, sagte Stieglitz’ Anwalt Andreas Pollak.

50er in Dubai

Auch Stieglitz’ Einladung an Strache zu seiner 50. Geburtstagsfeier in Dubai sei "nicht verboten". Die beiden seien eben alte Freunde, die immer wieder Zeit miteinander verbracht hätten. Auch Strache habe Stieglitz zu seinem 50. Geburtstag eingeladen, argumentierte Strache-Anwalt Pauer; außerdem habe er die Reise nach Dubai wegen Compliance-Gründen abgesagt.

Die Staatsanwaltschaft sah das naturgemäß ganz anders: Es sei nicht um Freundschaft gegangen, sondern um "persönliche Interessen". Es handle sich um zwei ziemlich beste Freunde, die sich in einer Zweckgemeinschaft zusammengetan hätten, sagte die Staatsanwältin sinngemäß.

Sie deutete an, dass ein Teil der Spende an Austria in Motion über die Immobilienfirma Imbeco GmbH an Strache persönlich geflossen sei, was aber Teil eines anderen Ermittlungsverfahrens ist.

Stieglitz sei nicht wegen etwaiger Qualifikationen Aufsichtsratsmitglied des staatlichen Autobahnbetreibers Asfinag geworden, sagte die Staatsanwältin. So habe Strache davon gesprochen, dass Stieglitz ein "exzellenter Jurist" sei – der aber nur einen Ehrendoktortitel habe.

Strache habe die Einladung zur Reise nach Dubai angenommen – dass er später wieder abgesagt habe, ändere nichts an der Strafbarkeit, so die Vertreterin der WKStA. Zur Absage sei es nur gekommen, weil Hofer Strache erklärt habe, dass es Compliance-Probleme geben könne.

Haftstrafe möglich

Jetzt geht es eben nicht mehr nur um Compliance, sondern sogar um das Strafrecht. Die Staatsanwältin zitierte Stieglitz, der gegenüber Medien von "Mickymaus-Zuwendungen" gesprochen hatte – doch auf das Delikt stünden sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Heikel ist das gerade für Strache, der vergangenen Sommer in einem ähnlich gelagerten Fall erstinstanzlich schuldig gesprochen worden ist. Hier läuft gerade das Berufungsverfahren.

Bis zu einem Urteil wird es noch einige Wochen, wenn nicht gar Monate dauern: Richterin Mona Zink hat diese Woche noch am Mittwoch und am Freitag Verhandlungstermine anberaumt, mit einer Fortsetzung ist dann im Juli zu rechnen.

Ein Knackpunkt wird jedenfalls die Zeugenaussage von Norbert Hofer sein, der als Verkehrsminister für die Bestellung von Stieglitz in den Asfinag-Aufsichtsrat verantwortlich war. Die Ermittlungen gegen Hofer, den Stieglitz ebenfalls als Freund sieht und ebenfalls nach Dubai eingeladen hatte, wurden ja eingestellt.

Mit Hofer hatte Stieglitz allerdings ein Hühnchen zu rupfen: Eigentlich hätte der Unternehmer nämlich in die ÖBB entsandt werden wollen, weil die ihre Immobilien "viel besser verwerten und entwickeln" könnte. Beworben habe er sich mittels Lebenslauf, der ungewöhnlich kurz gewesen sei. Ob er denn nie einen richtigen Lebenslauf geschrieben habe, fragte die Richterin? "Nein, ich bin ja der Chef", antwortete Stieglitz zum Amüsement der Anwesenden im Gerichtssaal.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, Renate Graber, 7.6.2022)