Begrenzter Spielraum: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

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Die Ankündigung hat die Debatte über die Inflation noch einmal angeheizt: Wien Energie will die Preise für Fernwärme um 92 Prozent erhöhen. Fix ist das, wie Wien Energie diese Woche verkündet hat, aber noch nicht: Preiserhöhungen müssen erst beantragt werden, ein Verfahren vor der Wiener Preiskommission ist Pflicht.

Doch was ist das eigentlich für eine Preiskommission, auf welcher Grundlage entscheidet sie? Regulierte Preise sind in einer Marktwirtschaft eher die Ausnahme denn der Regelfall.

Des Rätsels Lösung findet sich im Preisgesetz: Dort ist festgelegt, dass der Wirtschaftsminister, also eigentlich Martin Kocher (ÖVP), für bestimmte sehr wichtige Güter und Dienstleistungen – darunter explizit für die Lieferung von Fernwärme – entscheiden kann, ob Preiserhöhungen oder Preisfestsetzungen gerechtfertigt sind. Er hat vor seiner Entscheidung die Vertreter einer Preiskommission anzuhören. Und: Per Verordnung oder Bescheid kann der Minister jeweils die zuständigen Landeshauptleute damit beauftragen, diese Kontrollfunktion statt seiner selbst wahrzunehmen.

Die Lebensmittelpreise sind den letzten Monaten kräftig gestiegen. Haben die Wiener und Wienerinnen die Preisentwicklung auch im Blick? Unterwegs am Hannovermarkt in Wien.
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Genau das ist im Fall der Bundeshauptstadt geschehen: Seit 1996 ist per Bescheid des damaligen Wirtschaftsministers der Landeshauptmann damit beauftragt, die Kontrollfunktion nach Preisgesetz wahrzunehmen.

Der Preiskommission gehört je ein Vertreter der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer in Wien an. Die Kommission muss vor einer Entscheidung gehört werden, der Antragsteller auf Preiserhöhung muss ihr alle relevanten Unterlagen aushändigen. Verbindlich sind die Wünsche der Kommission allerdings nicht, es entscheidet in diesem Fall einzig Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) per Bescheid.

Was Ludwig (nicht) tun kann

Kann er also den Preisanstieg bei Wien Energie verhindern? Laut Worten des Gesetzes wird das schwer: Er müsste nämlich nachweisen, dass die von Wien Energie geforderte Preiserhöhung "die internationale Preisentwicklung, den allgemeinen Preisindex des betreffenden Wirtschaftszweiges oder die allgemeine Preiserhöhung dieses Wirtschaftszweiges in einem ungewöhnlichen Maße übersteigt".

Sprich: Nur wenn Wien Energie deutlich stärker die Preise anhebt, als Entwicklungen an den europäischen Gasmärkten dies rechtfertigen würden, kann der Bürgermeister ein Veto einlegen. "Die Spielräume der Politik sind begrenzt", sagt auch die zuständige Energieexpertin der Wiener Arbeiterkammer, Dorothea Herzele, die selbst in der Preiskommission sitzt. "Die Möglichkeiten einzuschreiten sind nach dem Preisgesetz nicht sehr stark."

Die Preise steigen. Aber warum eigentlich? Und was müsste konkret dagegen getan werden? Sechs Fragen an die Ökonomin Lea Steininger.

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Gegen einen negativen Bescheid des Bürgermeisters könnte Wien Energie jedenfalls Beschwerde bei Gericht einlegen.

Auf Basis dieser Konstellation wird eher erwartet, dass es grünes Licht für die Preiserhöhung geben wird, aber die bereits fixierten Hilfen für Haushalte nochmals erhöht werden. Wien hat hier ein eigenes Schema zur Unterstützung von Haushalten geschaffen, die besonders von der Teuerung betroffen sind.

Die Entscheidung des Bürgermeisters wird übrigens nicht alle 420.000 Wiener Fernwärmekunden betreffen, sondern nur um die 260.000. Großabnehmer der Fernwärme, etwa Genossenschaften, haben eigene Verträge, und diese unterliegen laut Herzele nicht dem Preisgesetz. (András Szigetvari, 9.6.2022)