Schauen Sie nur diese feinen, blauen Linien! Und die Schönheit, die Ihnen eine Teetasse erzählt, wenn Sie sie in Händen halten! Und dann erst das rötliche Steinzeug und das feine Tafelporzellan in Grün- und Purpurtönen!" All das, meint Zhu Pei, Architekt mit Bürositz in Peking, habe eine zeitliche Heimat, und zwar die Ming-Dynastie, die im chinesischen Kaiserreich von 1368 bis 1644 herrschte. "Und hier wie der um spielt die ostchinesische Stadt Jingdezhen eine zentrale Rolle, denn seit Jahrhunderten schon wird hier Porzellan hergestellt. In der Ming-Dynastie wurden hier einige wichtige Manufakturen aufgebaut, die das Kaiserhaus direkt belieferten."

Die Architektur des Museums orientiert sich an den aus Ziegeln gemauerten Brennöfen, die auch heute noch in Jingdezhen stehen.
Foto: Studio Zhu Pei

Der hochwertige Lehm stammt meist aus der Gegend rund um den Poyang-See, 100 Flusskilometer südwestlich, auf Holzbooten wurde das Material auf dem Changjiang nach Jingdezhen gebracht, wo es schließlich an die kaiserlichen Manufakturen verteilt wurde. "Eine davon", sagt der 60-jährige Architekt, der bereits am MIT in Boston, an der Columbia University in New York und an der Graduate School of Design in Harvard unterrichtete und der derzeit das Architekturdekanat an der Central Academy of Fine Arts (CAFA) in Peking leitet, "befand sich genau hier, an der Zhonghua Bei Road im Herzen der Stadt."

Acht archaische Gewölbe spannen sich über das 100.000 Quadratmeter große Grundstück neben dem Pagodenhügel, der keineswegs natürlich gewachsen sei, wie der Architekt erzählt, sondern das Resultat von jahrhundertelang angeschüttetem Porzellanbruch aus minderwertigen Fehlbränden sei. Bis zu 60 Meter lang wölben sich die massiven Röhren von Nord nach Süd, sieben Meter breit, bis zu acht Meter hoch. Die bauchige, zigarrenartige Form mit ihren parabelförmigen Querschnitten orientiert sich an den traditionellen, aus Ziegeln gemauerten Brennöfen, die auch heute noch zu Hunderten in Jingdezhen vorzufinden sind.

Hohlblock-Wunderwuzzi

Vorgestern, Donnerstag, wurde das Jingdezhen Imperial Kiln Museum mit dem Brick Award Grand Prize 2022 ausgezeichnet. Der Preis, der von der Wienerberger Holding biennal vergeben wird, holt damit wieder einmal ein asiatisches Projekt vor den Vorhang – und offenbart auf indirekte Weise, dass das baukulturelle Erbe mit dem Baustoff Ziegel in China, Thailand, Vietnam, Indien und Bangladesch heute einen spürbar höheren Stellenwert hat als in unseren Breitengraden, wo er oft als thermisch aufgepäppelter Häuslbauer-Hohlblock-Wunderwuzzi hinter zentimeterdicken Putzschichten und chemischen Fassadenfarben versteckt wird.

"Das Imperial Kiln Museum rückt die Neuinterpretation traditioneller Brennöfen in den Fokus", heißt es im Juryprotokoll, "und knüpft damit an eine lokale Tradition und Historie Chinas an. Durch die Verwendung recycelter Ofenziegel würdigen die Architekten sowohl das Produktionsverfahren als auch das Material an sich." Besonders hervorgehoben wird die ungewöhnliche und auch außerordentlich aufwendige Bauweise des Gebäudes, dessen Bauzeit sich über fast fünf Jahre erstreckte.

Foto: Studio Zhu Pei

"Ursprünglich", erzählt Architekt Zhu Pei, "wollte ich das Museum komplett aus Ziegeln errichten, allerdings sind in China reine Ziegelbauten in Erdbebenregionen nicht zugelassen. Also musste ich die Gewölbe mit Beton ertüchtigen." Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine tragende Stahlbetonkonstruktion, die anschließend mit Ziegelsteinen verkleidet wurde, wie man das landläufig annehmen würde. Sondern um ein zweischaliges, selbst tragendes Ziegelgewölbe aus insgesamt 2,8 Millionen Ziegeln, dessen Hohlräume anschließend mit Beton ausgegossen wurden. "Ziegel hat so viele wunderbare Eigenschaften", sagt Zhu Pei. "Ich glaube, ich hätte es nicht übers Herz gebracht, den Ziegel hier nur als visuelle Verkleidung einzusetzen. Es musste mehr sein als nur das."

Die städtebauliche Anordnung der Röhren in Nord-Süd-Ausrichtung ist kein Zufall: Im Winter kommen die Winde und Niederschläge aus dem Westen, da wirken die Gewölbe als Barriere und Blockade. In den heißen Sommermonaten jedoch pfeift es aus dem Norden, bei Bedarf können die Glas- und Holzfassaden des Museums geöffnet werden, und der kühle Wind kann die Röhren ungehindert durchströmen. Die tonnenschwere speicherfähige Masse, die im Sommer kühlt und im Winter wärmt, tut ihr Übriges. Auf diese Weise kommt der gesamte Museumskomplex oh ne Klimaanlage aus.

"So verstehe ich Architektur"

Einer der schönsten Aspekte dieses Projekts ist das materielle Recycling. Alle zwei bis drei Jahre müssen die Ziegelschalen der traditionellen Brennöfen, nachdem sie viele Temperaturschocks überstanden und konstruktive, bauphysikalische Werte eingebüßt haben, abgebaut und wieder neu aufgemauert werden. Für gewöhnlich werden die alten Ziegel in Jingdezhen beim Bau von Straßen, Häusern und Gartenmauern wiederverwendet. So auch in den Gewölben des kaiserlichen Porzellanmuseums: Rund 30 bis 50 Prozent der insgesamt 2,8 Millionen Ziegel – variierend von Tonne zu Tonne – stammen aus diesen alten, abgebauten Brennöfen.

"Wir müssen mit der Geschichte und Identität eines Ortes arbeiten, und wir müssen den Baustoffen ihre jeweils besten Eigenschaften entlocken", sagt Zhu Pei. "Wenn das gelingt, dann haben wir einen ernsthaften, ernstzunehmenden Beitrag zur Nachhaltigkeit geleistet. Und gleichzeitig die Herzen der Menschen erreicht. So verstehe ich jedenfalls Architektur."

Tsingpu Retreat Hotel The Brick Wall in Yangzhou, China.
Foto: Pedro Pegenaute
Wohnhausanlage in der Rue Danton im französischen Pantin
Foto: Schnepp Renou

Neben dem Imperial Kiln Museum in Jingdezhen gingen vier weitere Brick Awards an das Tsingpu Retreat Hotel The Brick Wall in Yangzhou, ebenfalls China (Neri & Hu Design and Research Office), an die Casa que habita in Babahoyo, Ecuador (Natura Futura), an eine Wohnhausanlage in der Rue Danton im französischen Pantin (Avenier Cornejo Architectes) sowie an das komplett heizungs-, lüftungs- und kühlungslose Bürogebäude 2226 Emmenweid in der Schweiz (Baumschlager Eberle Architekten).

Casa que habita in Babahoyo, Ecuador
Foto: Vanelly Dumani
Bürogebäude 2226 Emmenweid in der Schweiz
Foto: René Dürr

"Es freut und ehrt mich, dass wir so einen großen Preis in Österreich organisieren und vergeben dürfen, wo Werte wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit großgeschrieben werden", sagt Heimo Scheuch, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG, im Gespräch mit dem STANDARD. "Gleichzeitig aber ist der Grand Prize auch der Beweis dafür, dass wir bei uns zwar brav und richtig und solide und energieeffizient bauen, dass die große Architekturgeschichte aber längst nicht mehr in Europa geschrieben wird."

Der Brick Award, der alle zwei Jahre mit großem Empowerment und kontinuierlich steigender Zahl an Einreichungen aus aller Welt ausgelobt wird, macht ordentlich Mut, die vielzitierte Nachhaltigkeit nicht nur in Zyklen bis zur nächsten Heizkostenabrechnung zu denken – sondern weit darüber hinaus, in Jahrzehnten, vielleicht sogar in Jahrhunderten. (Wojciech Czaja, 12.06.2022)