Studierende und Quereinsteigerinnen helfen mancherorts in Schulen dabei, den Personalmangel auszugleichen.

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Wien – Schon seit einigen Jahren gibt es in bestimmten Fächern und Regionen in Österreich weniger ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer als nötig wären. Faktoren wie die Pensionierungswelle und der Trend zu Teilzeitbeschäftigung verschärfen mit Herbst die Engpässe in einigen Bundesländern weiter, zeigt ein Rundruf in den Bildungsdirektionen beziehungsweise Landesregierungen. In Mangelfächern behilft man sich mit Mehrdienstleistungen, Sonderverträgen und pensionierten Pädagoginnen.

Die Gründe für den Mangel sind vielfältig, wie der Rundruf zeigt. Durch die Pensionswelle fallen derzeit besonders viele langjährige Lehrer aus dem System, gleichzeitig beklagen einige Bundesländer Probleme beim Nachschub durch immer weniger Vollzeitarbeitskräfte und die neue, längere Lehrerausbildung: Diese sieht vor, dass nach dem vierjährigen Bachelor eine einjährige Induktionsphase und dann innerhalb von maximal fünf Jahren das mindestens einjährige Masterstudium abgeschlossen wird.

Teilzeitbeschäftigung und Demografie als Probleme

Eine Anstellung ist zwar schon mit dem Bachelor möglich, wenn man innerhalb von fünf Jahren den Master berufsbegleitend abschließt. Daraus würden allerdings zahlreiche Teilzeitbeschäftigungen mit "teilweise sehr geringem Beschäftigungsausmaß und veritable organisatorische Probleme" resultieren, heißt es etwa aus der Tiroler Bildungsdirektion. Und es kommen noch weitere Faktoren dazu. In Kärnten nennt man etwa auch Demografie und geografische Gegebenheiten sowie die Struktur mit Klein- und Kleinstschulen als Erschwernis, in der Pandemie habe sich die Situation weiter verschärft.

In Wien ist eine Zuspitzung der Lage in den Bundesschulen (AHS, BMHS) absehbar: Hier gibt es aktuell laut Bildungsdirektion mit 2.500 Bewerbungen um 1.000 weniger als im langjährigen Schnitt. Mangelfächer sind vor allem Mathematik, Naturwissenschaften und Informatik. Auch in Deutsch und Englisch muss mitunter auf Personal mit Bachelor- statt Masterabschluss zurückgegriffen werden.

Studierende und Quereinsteiger gegen Engpässe

An den Wiener Pflichtschulen (vor allem Volks- und Mittelschule) gibt es zwar gleich viele Onlinebewerbungen wie im vergangenen Jahr und von den Kopfzahlen wären es sogar mehr Bewerberinnen als nötig. Allerdings wollen eben immer weniger Lehrer eine volle Lehrverpflichtung, etwa weil sie sich noch nicht reif fühlen für die Übernahme einer Klasse. In der Bildungsdirektion geht man davon aus, dass es an den Volksschulen wieder besonders eng wird. Um Engpässe zu überbrücken, setzt man in Wien auf Lehramtsstudierende oder Quereinsteiger aus verwandten Fächern (etwa Diplomstudium Mathematik statt Lehramt Mathematik), in den Mittelschulen wird bei den Lehrfächern umverteilt, an polytechnischen und Berufsschulen behilft man sich mit Überstunden. An den Volksschulen, wo Überstunden nur begrenzt möglich sind, wird eine Supplierreserve aufgebaut.

In Niederösterreich hat Bildungsdirektor Johann Heuras noch vor wenigen Wochen vor einem dramatischen Personalmangel gewarnt, unter anderem wegen der vielen Teilzeitanstellungen von Bachelor-Absolventen, die berufsbegleitend ihr Masterstudium absolvieren. Mittlerweile gibt man in der Bildungsdirektion Entwarnung: Es sei gelungen, alle Stellen zu besetzen. Den größten Mangel gebe es an den Sonder- und Mittelschulen. Auf Initiative von Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) wird nun außerdem an einem Vorschlag für die künftige Lehrerinnenausbildung gearbeitet. Zuletzt hatte sie für eine Verkürzung der Ausbildung auf eventuell fünf Jahre plädiert, die weitere Aus- und Fortbildung solle erst innerhalb des Berufs absolviert werden.

Burgenland sieht sich gut gewappnet

Keine Personalprobleme werden hingegen aus dem Burgenland gemeldet. In Fächern wie Mathematik, Englisch, Physik, Chemie und bildnerische Erziehung wären zwar "zusätzliche Bewerbungen wünschenswert", bisher sei der Bedarf aber noch gedeckt. An den Volksschulen gibt es dank einer Kooperation mit der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland genug Bewerber. Einige Pädagoginnen seien noch in Warteposition, aber die Personalsituation sei ein laufender Prozess mit Nachbesetzungen.

In Salzburg wird an den Pflichtschulen mit einer weiteren Verschärfung vor allem in den Hauptfächern gerechnet, in den Bundesschulen wird es in Mathematik, Informatik und Physik eng. Kurzfristig setzt man bei Engpässen auf pensionierte Lehrer, Studierende und Mehrdienstleistungen, mittelfristig müsste man aus Sicht von Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) die Dauer und Praxisnähe der Lehrerausbildung überdenken. Im Sommer soll außerdem eine Infokampagne gestartet werden, um Maturanten zum Lehramtsstudium zu motivieren.

In vielen Bundesländern wird es eng

Aus Tirol meldet die Bildungsdirektion "mitunter Engpässe" für das kommende Schuljahr. An den Pflichtschulen gibt es schon seit längerem vor allem im Tiroler Unterland (Bezirke Kitzbühel und Kufstein, Teile von Schwaz) und mittlerweile auch in Innsbruck und teilweise Innsbruck Land-West zu wenige Bewerber an den Bundesschulen in den Bezirken Reutte und Kitzbühel. Um alle Stellen zu besetzen, nutzt man in Tirol vor allem Überstunden, einvernehmliche Stundenaufstockung beim Teilzeitpersonal und die Anstellung Studierender höherer Semester.

Auch in der Steiermark wird es eng, grundsätzlich kann der Bedarf laut Bildungsdirektion aber abgedeckt werden. Wie in den vergangenen Jahren steht einem deutlichen Überhang an Bewerbungen in den Ballungszentren ein Mangel in gewissen Regionen gegenüber, vor allem in der Peripherie und in bestimmten Fächern wie Mathematik und Physik. Neben Neuausschreibungen setzt man zum Überbrücken von Engpässen auf einen Studentenpool, pensionierte Lehrer, Sonderverträge für Quereinsteiger oder einvernehmliche Stundenerhöhung.

Auch zweisprachiger Unterricht auf Slowenisch betroffen

In Oberösterreich gibt es laut Bildungsdirektion schon jetzt im gesamten Bundesland im Pflichtschulbereich Lehrermangel, speziell betroffen ist das Innviertel. Nach Fächern gibt es die größten Besetzungsprobleme in Deutsch, Englisch, Mathe, naturwissenschaftlichen Fächern und Sport. Um alle Stunden besetzen zu können, erbringen Lehrer Mehrdienstleistungen, und es werden auch Bachelorabsolventen eingesetzt.

In Kärnten kann an den Bundesschulen der Bedarf im Wesentlichen durch die vorhandenen Bewerberinnen abgedeckt werden, voraussichtlich werden im Herbst noch weitere 20 bis 30 Planstellen öffentlich ausgeschrieben. Wie in den vergangenen Jahren gibt es vor allem in bildnerischer Erziehung, Werken, Musikerziehung und Bewegung und Sport (weiblich) zu wenige voll ausgebildete Lehrkräfte. An den Pflichtschulen ist erst nach der Ausschreibung der Stellen absehbar, ob es genug Bewerbungen geben wird. Dasselbe gilt für das schon zuletzt von Lehrermangel betroffene Minderheitenschulwesen (zweisprachiger Unterricht Slowenisch). Um Ausfälle besser kompensieren zu können, werden an den Volksschulen im kommenden Schuljahr mehrere "springende Lehrpersonen" eingesetzt, außerdem werden als Vorkehrung keine Karenzierungen gegen Entfall der Bezüge für das kommende Schuljahr genehmigt. Ob es wieder eng wird, hänge erheblich von der Entwicklung der Pandemiesituation ab.

Nebenfächer übererfüllen Nachfrage

In Vorarlberg ist die Personalsituation schon seit einigen Jahren angespannt, an den Pflichtschulen hat sich die Situation in Hinblick auf das kommende Schuljahr laut Bildungsdirektion noch einmal verschärft. Von den rund 250 ausgeschriebenen Stellen sind noch zwölf Klassenlehrerstellen an Volks- und Sonderschulen sowie 17 Fachlehrerstellen an Mittelschulen und Polys unbesetzt. An den Bundesschulen fehlt es vor allem an Bewerbern in den naturwissenschaftlichen, fachpraktischen und kreativen Fächern sowie in Bewegung und Sport. Auch in Vorarlberg behilft man sich mit Aufstockung von Teilzeitbeschäftigungen, Mehrdienstleistungen, pensionierten Lehrern, Quereinsteigern und Lehramtsstudierenden. Außerdem hat die Bildungsdirektion zuletzt ihre Bemühungen um den Nachwuchs verstärkt (Werbung, Schulbesuche, Welcome-Center et cetera), Lehrer wurden von Verwaltungsaufgaben freigespielt, und kleinere Schulen können sich mit anderen Schulen in einem Verbund zusammenschließen.

Während es in manchen Fächern zu wenig ausgebildete Lehrer gibt, melden die Bundesländer wie schon in der Vergangenheit gleichzeitig in einzelnen Fächern mehr Bewerber als freie Stellen: Bitte warten heißt es etwa für Lehramtsabsolventen von Fremdsprachen (außer Englisch), Geschichte, Geografie, Psychologie und Philosophie. Hier absolvieren viele das Lehramtsstudium, es sind an den Schulen aber nur wenige Stunden zu vergeben. (APA, 22.6.2022)