Die Regierung sieht sich wegen der Inflation gezwungen, Maßnahmen zu setzen.

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Wien – Die Debatte im Nationalrat war am Donnerstag dem Thema entsprechend hochemotional: Beschlossen wurde das nächste Paket gegen die Teuerung. FPÖ-Chef Herbert Kickl handelt sich gleich eingangs mit seinem Antrag auf "Herbeischaffung des Bundeskanzlers", der beim EU-Gipfel in Brüssel weilt, einen Ordnungsruf von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka ein. Die Sitzung möge unterbrochen werden, bis Karl Nehammer (ÖVP), Brüsseler "Edelkomparse" und "teuerster Flüchtling der Republik", seiner Aufgabe als Kanzler nachkomme, polterte Kickl.

Man habe gewusst, dass der Termin der Sitzung mit jenem des EU-Gipfels kollidiere, wird dem FPÖ-Chef beschieden. Man wendet sich dem eigentlichen Thema zu: Wiewohl ausnahmslos Entlastungsmaßnahmen geplant sind, hagelt es heftige Kritik vor allem seitens der SPÖ und der Freiheitlichen.

Placebo oder Hilfe?

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner – die Kickls Ansicht teilt, dass Nehammers Abwesenheit zeige, dass diesen die Sorgen der "Teuerungsopfer" (Kickl) bezüglich Lebenshaltungskosten "einfach nicht kümmern" (Rendi-Wagner) – ist auch in der Frage der Wirksamkeit der Maßnahmen mit dem FPÖ-Mann einer Meinung: Das Entlastungspaket sei wenig wert. "Alles bleibt teuer", so die SPÖ-Chefin, die Preise würden nicht sinken, das Geld komme bei den Menschen zu spät an. Sie ortete "mehr Placebo als Hilfe".

Einmal mehr forderte Rendi-Wagner, dass die "ungerechtfertigten Übergewinne" der Energieunternehmen abgeschöpft oder die Steuern auf Lebensmittel und Treibstoffe gesenkt werden.

"Voodoo-Ökonomie"

ÖVP-Klubchef August Wöginger verweist Letzteres in den Bereich der "Voodoo-Ökonomie". Die Mineralölsteuersenkung in Deutschland sei ein schlechter Scherz gewesen, sei sie doch beim Konsumenten gar nicht angekommen. Die Regierung helfe dagegen rasch und zielgerichtet, betonte Wöginger und verwies auf das, was noch bevorstehe, etwa die Valorisierung von Sozialleistungen wie Familien- und Studienbeihilfe sowie die Abschaffung der kalten Progression.

In der Sondersitzung wurden unter anderem ein einheitlicher Klimabonus sowie eine zusätzliche Einmalzahlung gegen die Teuerung beschlossen, was insgesamt 500 Euro pro Person ergibt. Zudem gibt es eine Einmalzahlung für Bezieherinnen und Bezieher einer Mindestpension, Arbeitslose und Bezieherinnen und Bezieher von Studienbeihilfe in der Höhe von 300 Euro. Ferner ist ein Zuschlag von 180 Euro zur Familienbeihilfe im August geplant.

Die Pinken äußerten sich differenziert – Neos-Mann Nikolaus Scherak beklagte einmal mehr, dass Geld nach dem Gießkannenprinzip ausgeschüttet werde – Helikoptergeld, das "falsch und undifferenziert" verteilt werde. Das gelte vor allem für die vielen Boni und Gutscheine. Als richtig bezeichnete Scherak Teuerungsausgleiche und Einmalzahlungen. Er bezweifelt zudem, dass die Abschaffung der kalten Progression tatsächlich kommen wird. Der Neos-Klubvize will eine rückwirkende Regelung und dass die kalte Progression zur Gänze und nicht nur in Teilen abgeschafft wird.

Effektiv

ÖVP und Grüne lobten die Maßnahmen naturgemäß wortgewaltig als Riesenpaket, das effektiv gegen die Rekordinflation helfen werde. Nicht weniger als 28 Milliarden Euro würden in den kommenden Jahren gegen die Teuerung in die Hand genommen, damit die Menschen mehr zum Leben hätten, lobte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Auch sie tischte bekannte Argumente auf: Als einen Hauptgrund für das aktuelle Problem machte sie die Abhängigkeit Österreichs von russischem Gas aus, für die rote Kanzler der Vergangenheit ebenso verantwortlich seien wie Regierungschefs der ÖVP und freiheitliche Minister. Bis heute sei es ja noch so, dass FPÖ-Chef Kickl dem "skrupellosen Aggressor" Wladimir Putin auf dem Schoß sitze.

"Diese Regierung versucht den Karren aus dem Dreck zu ziehen", pflichtet ihr Grünen-Chef Werner Kogler bei. Dem FPÖ-Chef empfiehlt er, "doch in den Donbass" zu reisen – "machen Sie doch dort Ihre Selfies". (rebu, 23.6.2022)