In Italien wird Trinkwasser rationiert. In den Dolomiten tötet ein abbrechender Gletscherbrocken mindestens sieben Menschen, 13 weitere werden vermisst. Überschwemmungen in Kärnten sorgen für Millionenschäden. In Frankreich und Spanien steigt das Thermometer auf 40 Grad. Was nach einem utopischen Roman klingt, sind die Ereignisse einiger weniger Tage – und Folgen der oft ignorierten Klimakrise. Angesichts der vielen Tragödien stellt sich langsam die Frage: Wie schlimm muss es werden, bevor gehandelt wird?

Fridays-for-Future-Demonstration für Klimagerechtigkeit in München.
Foto: IMAGO/aal.photo/Alexander Pohl

Was wir jetzt erleben, sind die milden Vorboten: Der Planet hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bisher um ungefähr 1,1 Grad erhitzt. Die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen gilt als kaum mehr erreichbar. Wir steuern vielmehr auf eine Welt zu, die im Mittel um zwei, drei oder vier Grad wärmer ist. Österreich ist besonders stark betroffen: Ohne eine globale Trendumkehr werden die hiesigen Durchschnittstemperaturen laut Experten bis 2100 um mindestens fünf Grad steigen. Und dennoch ist Österreich Weltmeister im Fingerzeigen: Was sollen wir als kleines Land schon tun?

Erstens ist es in unserem Sinne, etwas zu tun. Fünf Grad mehr sind nicht nur unerträglich heiß, die Folgen – also etwa Überschwemmungen und Dürre – nehmen auch entsprechend zu. Zweitens muss längst viel mehr für die Klimawandelanpassung getan werden: Jeder jetzt in Hochwasser- oder Hitzeschutz investierte Euro lohnt sich mehrfach. Und drittens – das ist vor allem für jene in der Industrie und Wirtschaft wichtig, die nach wie vor gekonnt Augen und Ohren verschließen – werden nicht nur in Österreich Technologien gebraucht, die die Klimakrise abschwächen und vor ihren Folgen schützen. Diese Wertschöpfung kann hierzulande entstehen – oder aber wir warten weiter ab und überlassen anderen das Feld.

Weg zur Ökologisierung

Nun hat sich durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine Diskussion in Bewegung gesetzt, die so oder so längst überfällig ist: Wie werden wir von Gas unabhängig? Kurzfristig wird es ohne den Einsatz fossiler Ersatzstoffe wie Flüssiggas nicht gehen. Verkehrt wäre es aber, fossile Industrien dauerhaft zu reaktivieren oder gar neu zu bauen – wie LNG-Terminals an der deutschen Küste. Noch dazu, wenn das Aufstellen von Windrädern zugleich ein Spießrutenlauf ist. Oder wie es die deutsche Umweltökonomin Claudia Kemfert ausdrückt: "Wir löschen Feuer mit Benzin statt mit Wasser."

Europa steht, wenn auch aufgrund furchtbarer Umstände, vor einer gewaltigen Chance, die Fehler jahrzehntelanger fehlgeleiteter Energiepolitik gutzumachen. Der Weg zur Ökologisierung ist klar: Der Ausbau von Erneuerbaren muss absolute Priorität erhalten, Genehmigungen müssen beschleunigt, Flächenwidmungen zentralisiert werden. Zugleich braucht es massive Förderungen für Private und Unternehmen, um den Umstieg leistbar zu machen. Hand in Hand damit müssen umgehend Fachkräfte ausgebildet werden, um die Energiewende zu realisieren. Gesetze und Regelungen müssen dafür sorgen, dass umweltschädliches Verhalten absolut unattraktiv wird.

Ja, das wird für Einzelne unangenehm werden. Aber die Folgen des Nichtstuns sind unangenehmer. Es liegt an der Politik, den Umstieg sozial gerecht und möglichst attraktiv für alle zu gestalten. Das sollten sich Wählerinnen und Wähler immer wieder vor Augen führen – und vor allem auch einfordern. (Nora Laufer, 6.7.2022)