Im Gastblog zeigt Universitätsassistentin Laura Viktoria Elsenhans auf, wie sich die österreichische Strafgesetzgebung in Richtung einer Law-and-Order-Politik bewegt.

Da das Strafrecht in seiner Manifestation als Kriminalpolitik auch eine Sparte der Politik bildet, ist es stärker als andere Rechtsbereiche den Einflüssen und Schwankungen der Tagespolitik ausgesetzt. Dies lässt sich besonders in der Strafgesetzgebung der letzten 20 Jahre und ihrer regelmäßigen Thematisierung in den Medien erkennen.

Law and Order

Wie Frank Nobis in "Strafrecht in Zeiten des Populismus" schrieb, war während der großen Reformen in den 70er-Jahren die Zielsetzung, Strafgesetze zu erlassen, welche wohldurchdacht, rechtsstaatlich, maßvoll, verhältnismäßig, general- und spezialpräventiv sowie nicht primär vergeltend sein sollten. Mittlerweile zeichnet sich auch in der europäischen Strafgesetzgebung eine verstärkte Tendenz zu der in den 80er-Jahren in den USA entwickelten Law-and-Order-Politik aus, welche sich durch ein hartes Auftreten im Bereich des Strafrechts profiliert." Das Motto ist "governing through crime", das Versprechen die illusorische, absolute Sicherheit.

Mit der in den 2000er-Jahren aufgekommenen Angst vor Terroranschlägen wurde eine weitere Entwicklung, weg vom Freiheitsgedanken hin zu einem Sicherheitsdenken, angetrieben und ein regelrechter "Inkriminierungsrausch" gestartet. So verzeichnet das StGB (Strafgesetzbuch) in den letzten zwei Jahrzehnten knapp 50 Änderungen, die StPO (Strafprozessordnung) über 60 Änderungen, oft medial transportiert unter Schlagworten wie "Bekämpfung" und "Verschärfung".

Tendenzen zur Kriminalisierung

Ein kritischer Blick auf diese Reformen zeigt eine Tendenz zu Kriminalisierung statt Liberalisierung durch beinahe ausnahmslose Verschärfung und Ausweitung von Straftatbeständen. Damit geht eine Vorverlagerung der Strafbarkeit durch Einführung abstrakter Gefährdungsdelikte, die sich oft durch unbestimmte Tatbestandsmerkmale auszeichnen und Rechtsunsicherheit bringen, einher. Dies führt auch zu einer Zunahme "symbolischen" Strafrechts, das heißt von Strafnormen, die in der Praxis kaum Anwendung finden und oftmals schon von vornherein ungeeignet sind, faktisch wirksam zu werden.

Das immer weiter fortschreitende Sich-Entfernen von strafrechtlichen Prinzipien wie etwa der Verhältnismäßigkeit oder dem Schuldprinzip gefährdet deren Ziel, den Kern unseres Rechtsstaats zu schützen.
Foto: imago images / Panthermedia

Generell kann man von einer verstärkten Überschneidung von repressivem Strafrecht und präventivem Polizeirecht sprechen, die sich auch im permanenten Ausbau von Eingriff- und Zwangsbefugnissen der Ermittlungsbehörden zeitigt. Hier scheint oftmals eine Ad-hoc-Gesetzgebung vorzuliegen, deren klare einheitliche kriminalpolitische Linie nur schwer erkennbar ist.

Terrorismusbekämpfung mittels Strafrecht

Im Bereich der Terrorismusgesetzgebung und ihrer Nahbereiche kann man diese Entwicklungen deutlich nachvollziehen. So zeichnen sich Tatbestände wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) sowohl durch die Unbestimmtheit der Formulierung als auch durch die durch sie geschaffene weite Vorverlagerung der Strafbarkeit aus. Die im Terrorismusstrafrecht konstituierten Eingriffsschwellen reichen so weit ins Vorfeld, dass auch völlig neutrale Handlungen, zum Beispiel das Kaufen eines Flugtickets, unter "Reisen für terroristische Zwecke" (§ 278g StGB) erfasst werden können, ohne dass ein tatsächlicher Kausalzusammenhang bezüglich der Handlung und einer – auch nur konkret drohenden – Rechtsgutsverletzung vorliegen muss.

Teilweise handelt es sich um die Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben, der österreichische Gesetzgeber geht aber auch in unionsrechtlich determinierten Rechtsbereichen über Richtlinienvorgaben hinaus. So wurde durch eine Novelle 2018 die Jurisdiktion im Bereich der Terrorismus-Straftaten auch auf reine Auslandstaten ausgeweitet, sofern die beschuldigte Person "zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens" in Österreich aufhältig ist – eine Regelung, die starke Probleme zum Rückwirkungsverbot aufbringt.

Diesem sich immer weiter vom Rechtsgüterschutz entfernenden Gefahrenabwehrrecht wird nicht ohne Grund eine Tendenz zu einem – unserer liberalen Rechtsordnung eigentlich fremden – Feindstrafrecht diagnostiziert. Besonders deutlich wird dies auch bei dem im Rahmen des Terror-Bekämpfungs-Gesetz (TeBG) 2021 neu eingeführten Straftatbestand gegen religiös motivierte extremistische Bewegungen (§ 247b StGB). Ziel der Bestimmung sei die "Erfassung religiös-extremistischer Gruppierungen". Auf die fachliche Kritik an der geplanten Regelung – sie enthalte bedauerlicherweise unbestimmte Gesetzesbegriffe, und eine solche Regelung sei aufgrund der bisherigen Gesetzeslage auch nicht erforderlich – wurde nicht mit Änderungen im Gesetzgebungsverfahren reagiert.

Ein Blick auf die Rechtsprechung zeigt die zunehmende Schwierigkeit, Lebenssachverhalte unter die von der Legislative geschaffenen Tatbestände zu subsumieren. Dies geschieht aufgrund der Unbestimmtheit der Regelungen oft in sehr weitreichender Weise. Während der deutsche Bundesgerichtshof bei familiärem Zusammenleben einer IS-Sympathisantin mit einem IS-Mitglied im IS-Gebiet, die Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung klar verneint, bejaht der OGH (Oberster Gerichtshof) die versuchte Beteiligung schon bei "(geplanter) Heirat durch jugendliche Frauen" im Rahmen rein virtueller Kontaktaufnahme von Österreich aus. Diese Entwicklung des Strafrechts weg von einer konkreten Rechtsgutsverletzung hin zur abstrakten und nur mutmaßlichen Gefährdung – vom Straftäter hin zur Schaffung der Figur des "Gefährders" – gipfelt in der Diskussion einer Einführung einer Präventivhaft nach bayrischem Vorbild.

Das populistische Spiel mit dem Sicherheitsbedürfnis

Wie Frank Nobis in "Strafrecht in Zeiten des Populismus" schrieb, zeigt ein Blick auf die Kriminologie, dass sich die persönliche Kriminalitätsfurcht nicht proportional zur Viktimisierungswahrscheinlichkeit verhält, sondern vielmehr stark mit praktizierter Kriminalpolitik zusammenhängt. Eine regelmäßige Thematisierung in den Medien steigert die Furcht und erleichtert dadurch das politische Mobilisieren. Nach der Definition des Duden ist Populismus "eine von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen".

Dazu schrieb Nobis in "Strafrecht in Zeiten des Populismus", dass die vermeintliche Sicherheitsproduktion des Gesetzgebers zu steigender Unsicherheitskonstruktion und dem Gefühl und der Forderung des Volkes führt, es müsse mehr getan werden. Durch populistische Parteien, dem Einfluss von Lobbying und den (neuen) Medien wird Kriminalpolitik – und dadurch die Strafgesetzgebung – vermehrt von Gefühlslagen wie Risikoangst, Verbrechensfurcht und subjektivem Kontrollbedürfnis beeinflusst, anstatt auf Wissenschaft und Evidenz zu basieren.

Das immer weiter fortschreitende Sich-Entfernen von strafrechtlichen Prinzipien wie der Verhältnismäßigkeit, dem Schuldprinzip, dem Rückwirkungsverbot und dem Ultima-Ratio-Prinzip gefährdet deren Ziel, den Kern unseres Rechtsstaates zu schützen. Es ist Aufgabe der Strafrechtswissenschaft, solchen Tendenzen kritisch nachzugehen, um sicherzustellen, dass der größten Eingriffsmöglichkeit des Staates gegenüber seinem Bürger Grenzen auferlegt sind. (Laura Viktoria Elsenhans, 8.7.2022)