Bereits 1933 wurde Carl Zuckmayer von den Nazis mit einem Aufführungsverbot belegt. Er lebte damals bei Salzburg, mit dem "Anschluss" Österreichs floh er in die USA. Wie sehr Zuckmayres Stücke ihnen tatsächlich ein Stachel im Fleisch sein konnten, belegt Des Teufels General. 1946 schrieb er darin über die Kriegsverbrechen der Nazisoldaten, den Umgang des Regimes mit Juden und einen Ingenieur aus des Führers Armee, der dessen Luftstreitkräfte sabotiert. Ernster Stoff fürs Sommertheater in Reichenau.

Er kommt bei Zuckmayer aber leicht daher. Die Dialoge sind spritzig wie der Schampus, der serviert wird. Es ist auf der Bühne (Hans Kudlich) zum Fest gedeckt. Mit Feierlaune fängt Fliegergeneral Harras mehr an als mit "Heil Hitler"-Stimmung. Er versprachspöttelt das Propagandaministerium genauso wie die Zigaretten seiner Nazikollegen. Gespielt wird er von Stefan Jürgens. Man kennt ihn eher aus dem TV denn von Bühnen, lange war er Kommissarkollege von Festspielintendantin Maria Happel bei Soko Donau. Er füllt seine Rolle als Opportunist und Lebemann tatkräftig aus und macht sich gut auf der Bühne.

Führertracht und Haare offen

Daneben macht er ein junges Fräulein (Johanna Prosl) an. Das Stück stammt aus einer Zeit, da ihm noch eine Zweite, das resolutere Pützchen (Johanna Arrouas), verfallen wollte. Führertracht und die Haare aufgeknöpft, sinkt sie ihm zwischen die Knie. Man zuckt da heutzutage fast etwas zusammen.

Pützchen (Johanna Arrouas) hat den Fliegergeneral Harras (Stefan Jürgens) in "Des Teufels General" genau im Blick. Seine Untreue zum Führer stört sie nicht, sie will ihn.
Foto: Lalo Jodlbauer

Zuckmayer bricht die Nazis im Stück auf Menschen herunter und rüttelt an der Regimepropaganda. Zackig ist hier nichts, Müdigkeit und bloße Pflichterfüllung haben sich eingestellt. Das Beschaffen eines Ariernachweises macht Pützchen das Heiraten zu mühsam, sie stichelt lieber gegen ihren zur Führertreue gehirngewaschenen Verlobten (David Oberkogler). Der Kulturleiter Lausitz (Tobias Voigt) sticht in gelber Uniformjacke farblich hervor, ist aber charakterlich die graueste und böseste Maus von allen. Kampfstaffelführer Eilers (Nicolaus Hagg) ist des Krieges überdrüssig und träumt als unglücklicher Strukturerhalter von Weihnachten zu Hause. Mit seiner Frau bereichert er den mit schnodderigem Berliner Dialekt gespickten Abend um intime Szenen.

Der plötzliche Ruf an die Front beendet das Fest des ganzen zwölfköpfigen Ensembles. Nach der Pause wird das Stück spröder und moralischer und das Bankett zum Militärstrategiebüro. Den neuen Fliegern brechen weiter die Schweißnähte. Es wird enger für Harras und seine widerständige Pose. Fragen nach der Rechtfertigbarkeit von Krieg, nach Mitteln und Zweck tun sich auf. Zuckmayer liest Figuren und Publikum die Leviten. In der Reichenau-erprobten Regie von Hermann Beil gelingt der ohne szenische Extravaganz, aber gekonnt runtererzählte Abend auf seine zwar etwas staubende Art doch geschmackvoll und menschlich und einnehmend.

Kein Sex, kein Mannsbild

Mit drei Stunden war er ebenso lang wie das vierte Stück im Premierenreigen. Mehr Gegenprogramm geht nicht: Angelika Hager hat Neil Simons Ein ungleiches Paar aktualisiert, die Frauenversion des Broadwayriesenerfolgs Ein seltsames Paar. Hager holt die disparaten Frauen in der für sie typischen Art (Polly Adler) ins heutige Wien (Altbauwohnungsbühne von Herbert Schäfer).

Dort sitzen die fünf Freundinnen beim traditionellen Trivial Pursuit und sind alle von den Männern enttäuscht. Die Polizistin Mickey (Cornelia Köndgen) spottet über die Kochkünste des ihren, Renee (Mercedes Echerer) musste beim letzten Date selber zahlen, und Vera (Karin Kofler) hat dank des Gatten kaum Sex. Florence (Fanny Stavjanik) ging es bisher besser, doch nun wird sie nach 18 Jahren von Willi verlassen. Sie tendiert mit gehauchter Stimme zur Melodramatik, man schließt zur Vorsicht also das Fenster im fünften Stock. Petra Morzé ist als Olive dagegen eine gestandene, erfolgreiche Chefredakteurin, dafür ihr Haushalt eine Müllkippe. Praktisch, dass die ordnungsfimmelige "Flo" mit Putzen loslegt, als sie bei ihrer Freundin Unterschlupf findet.

Frauen mitten im Nervenzusammenbruch: Petra Morzé, Cornelia Köndgen, Karin Kofler, Mercedes Echerer und Fanny Stavjanik (v. li.) in "Ein ungleiches Paar".
Foto: Lalo Jodlbauer

"Tofutussis" und Gendern

Hager dreht richtig auf. Es gibt Beckenbodentraining und "Tofutussis". Seitenhiebe auf Chatprotokolle und gefakte Meinungsumfragen sorgen für Lokalkolorit. Die "Frau Kommissarin" wird gegendert, und "Indianerinnen" sagt man wegen der politischen Inkorrektheit nicht. Korrekt ist aber sonst wenig, Frauen im klimakterischen Alter hegen "Restposten"-Panik. Bei Olive rutscht also neben dem Rock auch der Hormonpegel höher, wenn sie an die spanischen Nachbarn (C.vC. Weinberger und Florian Carove) denkt.

Regisseur Peter Dehler muss bei der Vorlage nicht viel mehr machen als den Wahnsinn laufen lassen und zu Comedymusik die eine oder andere Verfolgungsjagd durch die Wohnung einstreuen. Die Karottenschaumsüppchen stehen Olive bald an. Jeder Satz des aufgedrehten Stücks ist eine Pointe. Man kann das zu viel finden. Das Premierenpublikum indes konnte sich vor Begeisterung kaum auf den Sitzen halten. (Michael Wurmitzer, 10.7.2022)