Viel Pomp wurde aufgeboten, zünden wollte der Funke dennoch nicht.

Esterhazy / Jerzy Bin

Das jährliche Spektakel beginnt in St. Margarethen bereits an den langen Rampen, die zum Steinbruch führen. Während die Abendsonne langsam hinter den Felsen verschwindet, werden im Akkord Handys gezückt. "Das ist ja wie Disneyland für Erwachsene", ruft ein Besucher. Dann betritt Intendant Daniel Serafin die Bühne. "Julian Rachlin nimm schnell Platz, wir sind gleich live", ruft er, begrüßt die Bundeskanzler a. D. Franz Vranitzky und Brigitte Bierlein, Außenminister Alexander Schallenberg und Wirtschaftsminister Martin Kocher, "Padrone" Hans-Peter Doskozil und Generalintendant Alfons Haider, Günter Groissböck und Grace Bumbry ("You’re a legend"), 17 Botschafter sowie einen echten Sultan aus Saudi Arabien.

Für das Bühnenbild hat Thanassis Demiris Nabuccos monumentalen Palast in den 7000 Quadratmeter großen Steinbruch gewuchtet. Goldene Säulen und Rampen symbolisieren die Macht der Babylonier. In seiner Inszenierung lässt Regisseur Francisco Negrin in der gigantischen Felslandschaft zwei Welten aufeinanderprallen: Die unterworfenen Hebräer bevölkern die Felsen, während die assyrischen Machthaber den Tempel in Beschlag genommen haben. Und weil Multimedia Pflicht ist, werden auf einer überdimensionalen Leinwand Videos des virtuellen Palastbaus, Nahaufnahmen der Protagonisten und Blüten projiziert, deren dramaturgische Sinnhaftigkeit sich bis zum Schluss nicht erschließt.

Leider bleibt Negrins Idee, den politischen und vor allem menschlichen Konflikt der beiden Parteien darzustellen, weitestgehend auf der Strecke. Dabei bietet Verdis in Größenwahn, Macht und Gier eingebettete Familientragödie genug Stoff für ordentlich Drama auf der Bühne. Funken will es dennoch nicht. Die Erzählung erweist sich als eindimensional, und von der animalischen Kraft der Protagonisten sind nur plakativen Gesten übrig.

Stimmgewalt und sichere Partien

Die Gewänder der bedrängten Juden mit ihren langen, fahlen Kutten erinnern an die biblischen Historienschinken aus den Fünfzigerjahren; das seltsame Räkeln von Armen und Händen an eine gemeinsame Qigong-Session. Jede Menge Gold und Bling-Bling gibt es für die assyrischen Machthaber, ehe gegen Ende Läuterung eintritt und alle in weißen Roben im nächtlichen Steinbruch stehen, was vor allem in der Szene des Gefangenenchors für beeindruckende Bilder sorgt.

Musikalisch hat dieser Nabucco hingegen einiges zu bieten: Der Amerikaner Lucas Meacham ist zwar nicht der stimmgewaltigste König Nebukadnezar, verfügt aber über einen schön timbrierten Bariton. Die erst 29-jährige ukrainische Sopranistin und frisch gekürte Gewinnerin der "Monte-Carlo Voice Masters", Ekaterina Sannikova, gibt eine mächtige Abigail, die die sanften Töne ebenso beherrscht wie die dramatischen Ausbrüche in den Höhen und Tiefen. Eine sichere Partie ist Staatsopern-Ensemblemitglied Monika Bohinec, die als Nabuccos leibliche Tochter Fenena rechtzeitig die Seiten wechselt. Stimmlich eine Wucht sind Tenor Jinxu Xiahou als Ismaele und Jongmin Park als Zaccaria. Anmut statt Bombast lautet die Devise von Dirigent Alvise Casellati, der am Pult des Piedra Festivalorchesters einen fein ausbalancierten jungen Verdi musiziert. Das Publikum schenkt tosenden Applaus und verabschiedet sich mit einem langen Stau aus dem Steinbruch.(Miriam Damev, 15.7.2022)