Saure-Gurken-Zeit bringt auch den bestgefrorenen Posthornton zum Auftauen. Was Herbert Kickl seit Monaten als die Erfüllung sehnsüchtigster Erwartung zu verkaufen suchte, hat sich als Sickerwitz aus der Mottenkiste seines Humors erwiesen. Mit Walter Rosenkranz hat er einen Kandidaten für die Hofburg serviert, der als hausbacken im besten freiheitlichen Sinn gelten darf. Vom Habitus her ein Wiedergänger Norbert Hofers, ideologisch blaues Urgestein, zementiert in einer schlagenden Burschenschaft deutschnationaler Gesinnung, also bestens berufen, den Slogan "Holen wir uns unser Österreich zurück" im Geiste des Anbahnungsgesprächs von Ibiza mit Leben zu erfüllen. Das Ganze bildungsbürgerlich aufgeschäumt.

FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz schwadroniert von der Entlassung des Parlaments und der Auflösung des Nationalrats.
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Rosenkranz war FPÖ-Klubobmann zur Zeit der türkis-blauen Koalition, er kann also nicht so tun, als hätte er von den damaligen, bis heute in skandalöser Erinnerung gebliebenen Vorgängen keine Ahnung gehabt. Dass er sich davon distanziert hat, ist bisher nicht bekannt. Der jetzige Bundespräsident hat das wenigstens mit den Worten "Wir sind nicht so" versucht. Die Frage, welches Österreich Rosenkranz uns zurückholen will, möchte man daher etwas genauer wissen. Der ranzige Patriotismus, dessen Phraseologie sich seit ihrer Erfindung zu Zeiten Jörg Haiders nicht verändert hat, hat nicht für sauberes Mitregieren gereicht, er reicht schon gar nicht für ein Staatsoberhaupt. Und überhaupt erschiene es einem deutschnationalen Burschenschafter angemessener, Grillparzer in Frieden ruhen und Friedrich Schiller das Loblied auf den Österreicher singen zu lassen. Auch wenn der nicht immer Ursach' hat, sein Vaterland zu lieben.

Wohlstand und Neutralität

Und schon wieder ein Freiheitlicher, der sich den Wählerinnen und Wählern weit über die Befugnisse und Möglichkeiten eines Bundespräsidenten als Erlöser andient. Er will den Menschen ihre Freiheit zurückgeben, und in einem Aufwaschen auch gleich den Wohlstand und die Neutralität. Die Neutralität wohl in der Form, in der sie Freiheitliche pflegen, also diktatorenfreundlich, den Wohlstand durch versprochene Milliardeneinsparungen und die Freiheit, indem Ärzte und Wissenschafter als Scharlatane demaskiert werden.

Vom aktiven zum hyperaktiven Bundespräsidenten ist es im Wahlkampf nur ein kleiner Schritt. Gleich schwadroniert Rosenkranz von der Entlassung des Parlaments und der Auflösung des Nationalrates, zuerst würde er es aber mit Gesprächen versuchen, was doch ziemlich nett ist. Und die EU als Friedensprojekt? Da stellt er sich die Frage "Will man da ernsthaft dazugehören?", wo sie so unfreundlich zum Freund in Moskau ist. Man kann ja viel gegen die hiesige Regierung sagen, aber dass sie Österreich in einen Wirtschaftskrieg hineingezogen haben soll, ist zwar "ein unheimlicher Sündenfall", jedoch einer der Kicklpropaganda.

Seine Funktion als Volksanwalt will Rosenkranz trotz Wahlkampfs nicht aufgeben, mit dem Argument, Alexander Van der Bellen tue das ja auch nicht. Der Unterschied ist nur, dass das für diesen nicht möglich ist, während es bei jenem so aussieht, als wollte er seinen Job nicht verlieren, nachdem er für Kickl den "Hanswurst" gespielt hat (Kronen Zeitung). Das erscheint nur auf den ersten Blick ungerecht, ist aber nicht unverdient, wenn er mit einem lupenreinen FPÖ-Programm für ein überparteiliches Amt kandidiert. (Günter Traxler, 15.7.2022)