Wer der ökosozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist, wie es die ÖVP zumindest ihrem Programm nach weiterhin ist, steht vor einem Dilemma: Einerseits besagt das Bekenntnis zur Marktwirtschaft, dass man in den Markt möglichst wenig eingreifen darf. Auch nicht in den Energiemarkt – denn da kommt die Öko-Komponente zum Tragen: Höhere Energiepreise haben einen Lenkungseffekt zum ökologisch sinnvollen sparsamen Umgang mit Energie.

Die ÖVP Landespolitiker kochen fleißig ihr Süppchen und machen Druck auf den Kanzler und ÖVP Chef Karl Nehammer.
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In der politischen Praxis traut sich das natürlich niemand durchzusetzen, schon gar nicht vor einer Wahl. Deshalb wird von ÖVP-Landespolitikern die soziale Komponente der ökosozialen Marktwirtschaft betont: Wenn die Energiepreise so steigen wie jetzt, dann doch bitte Deckel drauf – die Menschen in diesem Land (und vor allem im Bundesland der jeweiligen Akteure) sollen ja weder frieren noch verarmen müssen, wenn die Energiepreise so hoch sind. Schließlich zählt aus Sicht von Landespolitikern die nächste Landtagswahl, die vielleicht schneller kommt als das Geld, das von Bundesseite zur Kompensation der hohen Preise in Aussicht gestellt wurde.

Also wurde fleißig das landespolitische Süppchen gekocht, in den Chor der Opposition eingestimmt und auf den Kanzler und ÖVP-Chef Druck gemacht. Dieser muss nun den ökosozialen Kompromiss suchen und einen Grundbedarf an Strom billig (sozial) und den Anteil darüber am Marktpreis halten. Die Kosten trägt übrigens immer der Bund, nicht die Länder. (Conrad Seidl, 18.7.2022)