Proteste gegen die den Austritt aus der Istanbul-Konvention im Frühjahr. Die Türkei war das erste Land, das die Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt unterzeichnet hat.

Foto: APA/AFP/ADEM ALTAN

Istanbul – Die türkische Justiz hat den Austritt der Türkei aus der internationalen Istanbul-Konvention für Frauenrechte bestätigt. Das oberste Verwaltungsgericht des Landes entschied am Dienstag, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan das Recht hatte, diesen Schritt per Dekret anzuordnen. Ein Bündnis aus Oppositionsparteien, Anwält:innen und Menschenrechtsaktivist:innen hatte dagegen geklagt, für Dienstagabend kündigten sie Demonstrationen an.

Erdogans Gegner hatten argumentiert, der Präsident habe nicht die Befugnis, die Mitgliedschaft in einem internationalen Abkommen per Dekret aufzuheben. Das fünfköpfige Richtergremium entschied jedoch mit drei zu zwei Stimmen zugunsten des Präsidenten. Die beiden abweichenden Richter:innen erklärten in einer separaten Stellungnahme, sie seien der Meinung, dass Erdogan mit seinem Vorgehen seine Kompetenzen überschritten habe.

Rückzug aus der Konvention 2021 beschlossen

Die größte türkische Oppositionspartei CHP kündigte umgehend an, gegen die Entscheidung des Gerichts Berufung einzulegen. "Wenn wir an der Macht sind (...), werden wir die Istanbul-Konvention in der ersten Woche oder sogar in den ersten 24 Stunden wieder einführen", kündigte Parteichef Kemal Kilicdaroglu zudem an. Der Oppositionsführer ist ein möglicher Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im Juni 2023.

Erdogan hatte den Rückzug aus der Konvention im März 2021 beschlossen. Das internationale Abkommen verpflichtet seine Unterzeichner dazu, Frauen durch Gesetze vor Gewalt zu schützen und gegen Gewalttaten vorzugehen. Konservative Gruppen in der Türkei sind der Ansicht, die Konvention fördere Homosexualität und bedrohe traditionelle Familienwerte.

Die Frauenrechtsorganisation "Stop Feminicides" rief für Dienstagabend Kundgebungen in mehreren türkischen Städten wie Istanbul und Izmir gegen das Urteil auf. "Aus rechtlicher Sicht ist es erschreckend", sagte die Anwältin der Organisation, Ipek Bozkurt, der Nachrichtenagentur AFP. "Diese fehlerhafte Entscheidung hätte vom Gericht gestoppt werden müssen." (APA/AFP, 20.7.2022)