Musste für den neuen Roman nicht recherchieren: "Maksym" handelt von einer Figur namens Dirk Stermann.

Gerald von Foris

Als Kabarettist und Fernsehmoderator kennt ihn hierzulande jeder. Was manche nicht wissen: Dirk Stermann ist auch ein begnadeter Schreiber. Allein sein Erstling "Sechs Österreicher unter den ersten fünf" (2010) hat sich über 200.000-mal verkauft. Zwei "ernste" Bücher später legt Stermann jetzt eine Fortsetzung seines Erstlingswerks vor: "Maksym" (Rowohlt-Verlag) handelt von einem Mann namens Dirk Stermann, der ein Problem hat. Die Frau des Entertainers muss beruflich ins Ausland und der gemeinsame Sohn versorgt werden. Also machen sie sich auf die Suche nach einem Babysitter.

STANDARD: Mögen Sie Ihre Hauptfigur?

Stermann: Die Frage ist, wer ist die Hauptfigur? Dirk Stermann oder Maksym?

STANDARD: Maksym ist doch nur eine Nebenfigur. Die Hauptfigur ist ein Mann namens Dirk Stermann.

Stermann: Dieser Dirk Stermann ist im Gegensatz zu Maksym kein Held. An Stermann gibt es viel zu kritisieren. Ich überzeichne die Figur ein bisschen. Diese heißt zwar genau wie ich, sie macht dasselbe wie ich, lebt dort, wo ich lebe, und hat dieselbe Familienkonstellation. Aber dieser Dirk Stermann ist eine fiktionale Figur. Das Gute an ihr ist, dass ich sie gut kenne. Das hat das Schreiben erleichtert.

STANDARD: Am Ende des Romans schreiben Sie: "Dieser Roman ist überwiegend frei erfunden." Nehmen Sie die Leserinnen und Leser auf den Arm?

Stermann: Ich sehe das so: Es könnte alles stimmen in diesem Roman, aber trotzdem ist er fiktional. Der Roman ist eine Melange aus Wahrheit und Lüge. Das Schöne ist, dass diese Fiktionalität eingebettet ist in eine mögliche Realität. Ich bin mittlerweile selbst nicht mehr sicher, was stimmt und was nicht.

STANDARD: Im Roman reflektieren Sie das auch. Es gibt den schönen Satz der Lebensgefährtin: "Du bist nicht Knausgård. Du hast nur einen von Motten zerfressenen Norwegerpulli." Haben Sie Spaß, falsche Fährten zu legen?

Stermann: Absolut. Der Ausgangspunkt des Romans war, dass wir wirklich einen Babysitter gesucht haben. Wir haben 40 Bewerbungen bekommen, alles wahnsinnig gut ausgebildete, schöne Frauen. Und dann gab es einen osteuropäischen, glatzköpfigen Herrn in einem verschwitzen Sweatshirt, und der schrieb: Mache alles. Was würde passieren, dachte ich mir, wenn wir den nehmen würden? Damit nahm die Fiktion ihren Lauf.

STANDARD: Daraus wurde dann der Babysitter Maksym, ein ukrainischer Muskelprotz, der sich als genialer Jurist entpuppt. Hauptthema des Buchs sind Vater- und Männerbilder. Dieser Dirk Stermann im Buch bemüht sich sehr, ein guter Vater zu sein, die Erfolge sind aber überschaubar.

Stermann: So ist es leider auch in der Realität. In den meisten Beziehungen sind es die Frauen, die für die Kinder verantwortlich sind. Die Entschuldigung dafür lautet, dass Männer immer noch mehr Geld nach Hause bringen als Frauen. Auch in meinem Umfeld ist das so: Man behauptet, man macht halbe-halbe, aber das stimmt nie. Gleichzeitig muss man aber sagen, dass sich im Vergleich zur Generation meines Vaters sehr viel geändert hat.

STANDARD: Auch zu der Zeit, als Sie selbst vor 20, 25 Jahren das erste Mal Vater geworden sind?

Stermann: Ich habe damals in Hamburg gearbeitet und war immer unterwegs. Am Sonntag war ich dann mit meiner Tochter am Spielplatz, ein Klassiker! Mit der Zeit habe ich versucht, das zu ändern. Durch Corona hatte ich bei meinem jetzigen Sohn das Glück, dass ich sehr viel Zeit hatte, während meine Freundin normal gearbeitet hat. Sprich, wir haben die Rollen gewechselt. Davon habe ich sehr profitiert – ich glaube, mein Sohn auch.

STANDARD: Beschäftigen Sie sich viel mit der Frage: Was macht einen Mann heute aus, was darf, was soll er tun?

Stermann: Zum Glück nein. Ich glaube, sonst wäre ich nur mehr verwirrt. Heute 20-jährige Männer tun sich leicht mit der Thematik, sie kennen auch die Begrifflichkeiten. Meine Generation findet die Diskussionen zwar gut, tut sich aber schwer damit, auch weil sie nicht über das geeignete Vokabular verfügt. Als ich das erste Mal als Cis-Mann beschimpft worden bin, wusste ich nicht einmal, dass es eine Beschimpfung war, weil ich nicht wusste, was ein Cis-Mann ist.

STANDARD: Was denken Sie, wenn Sie das Wort Wokeness hören?

Stermann: Ich brauche dieses Wort nicht, ich finde es nämlich normal, dass man etwas woke ist, ohne Teil der Wokeness-Bewegung zu sein. Anders gesagt: Ich war immer schon etwas woke.

STANDARD: "Maksym" könnte man als Fortsetzung Ihres ersten Romans lesen: "Sechs Österreicher unter den ersten fünf". Sie schreiben auch sogenannte "ernste" Bücher. Wechseln Sie gern zwischen den Genres?

Stermann: Ich mache das, weil ich es kann. Bei einem ernsten Stoff oder wie bei "Der Hammer", einem historischen Stoff, habe ich keinen Unterhaltungszwang wie bei meiner normalen Arbeit. Ich selbst kann entscheiden, wie die Atmosphäre des Romans ist. An "Hammer" habe ich drei Jahre gearbeitet. Beim jetzigen Roman war ich froh, dass ich gar nichts recherchieren musste.

STANDARD: Wenn man Dirk Stermann heißt, erwarten sich die Menschen Pointen. Ist das nervig?

Stermann: Wenn man auf der Bühne steht, ist es leichter, wenn die Leute lachen, auch vor der Fernsehkamera. Bei Literatur bin ich selbst mein einziges Kriterium. Ich habe immer sehr viel gelesen, ich weiß, was ich mag, was ich kann und was ich auch nicht kann. Die Herangehensweise bei der Arbeit an Literatur ist so herrlich, allein, dass ich nicht meinen Kollegen treffen muss, dass ich allein am Tisch sitzen kann, dass ich auf Tournee arbeiten kann und mir nicht zum 200. Mal das Rathaus von Waidhofen an der Ybbs anschauen muss.

STANDARD: Wann haben Sie gemerkt, dass Sie gerne schreiben?

Stermann: Die Idee meines Lebens war zu schreiben. Als ich nach Wien kam und im Radio anfing, schrieb ich dort Kurzgeschichten. Mit Grissemann bin ich dann abgedriftet, aber auch mit ihm habe ich viel geschrieben. Irgendwann hat mich dann Ullstein angefragt: Die erwarteten sich ein Sachbuch über Wien, zu ihrer Verblüffung erhielten sie einen Roman. Ab dann lief’s.

STANDARD: Schreibblockaden sind ein wichtiges Thema im Roman. Kennen Sie solche auch?

Stermann: Durch die Radioarbeit bin ich gewohnt, sehr schnell zu arbeiten. Meine Kolumnen, die ich für Zeitungen schreibe, tippe ich in einem runter. Mir taugt es, wenn Texte schnell entstehen, da habe ich fast ein erotisches Verhältnis dazu.

STANDARD: Autor, Comedian, Fernsehstar: Was antworten Sie auf die Frage nach Ihrem Beruf?

Stermann: Ich sag immer, mein Beruf ist, Deutscher in Wien zu sein. Meine Tochter hat die Frage nach dem Beruf ihres Vaters in der Schule immer genervt. Irgendwann sagte sie: Mein Vater ist Stermann. Das ist eine gute Berufsbezeichnung. (INTERVIEW, Stephan Hilpold, 21.7.2022)