Hat Anaïs in "Der Florentinerhut", den sie morgens trug, im Fall einer Heimkehr ohne das Accessoire wirklich Angst vor der unberechenbaren Eifersucht ihres Gatten Beauperthuis?
Foto: Marco Riebler

Dass in Eugene Labiches Komödien alle einander aufwendig belügen und sich so in immer neue Kalamitäten verstricken, ist das eine. Das andere ist die Frage, warum sie das tun. Hat Anaïs in Der Florentinerhut, den sie morgens trug, im Fall einer Heimkehr ohne das Accessoire wirklich Angst vor der unberechenbaren Eifersucht ihres Gatten Beauperthuis? Hätte Fadinard nicht die Möglichkeit, seiner Verlobten die Anwesenheit der hutsuchenden Anaïs in seiner Wohnung einfach zu erklären? Will man schlichtweg ein moralisch möglichst gutes, leider möglichst falsches Bild von sich bieten? Da haben Labiche und sein "Übersetzer" H. C. Artmann einige Antworten wohlweislich dem Publikum überlassen.

So skurril das Personal des 1851 in Zusammenarbeit mit Marc-Michel verfassten Meisterwerks auch ist, es menschelt stark. Florian Eisners sommerfrische Inszenierung bei den Komödienspielen Porcia in Spittal an der Drau weiß genau, dass sie nicht selber lachen darf, wenn die Zuschauer darüber lachen sollen. Verständnisvoll, ja zärtlich muss die Darstellung der ganzen Ansammlung an Schwächen, Ausreden und Vortäuschungen sein, nur dann wird das Lachen im Parkett bezeugen, dass dort der wahre Kern identifiziert worden ist.

Grandiose Substitution

Den Bräutigam Fadinard, der überall an die Zeuginnen seines ausgelassenen Vorlebens streift, verkörpert Okan Cömert mit einer Abgebrühtheit, die man schon Contenance nennen muss. Er schmettert sogar eine dadaistische Arie durch den Salon einer Baronesse. Der gesellschaftliche Hindernislauf führt ihn durch ganz Paris und am Ende im eigenen Haus ans Ziel, das als Hochzeitsgeschenk des schwerhörigen Onkels (Günter Gräfenberg) die ganze Zeit bereitlag: Es ist, damit die Wahrung des Anscheins ehelicher Treue ermöglichend, dasselbe Hutmodell, den Fadinards Gaul an jenem Busch angeknabbert hat, hinter dem sich Anaïs vergnügt hatte.

Erwischt! Typisch für Eugene Labiches Komödien belügen auch hier alle einander in aufwendiger Manier.
Foto: Marco Riebler

Laut Besetzungsliste hätte sie das mit Jakob Pinter tun sollen, den jedoch Corona-bedingt Felix Krasser grandios substituiert. Er muss vom Blatt spielen, tut das als Leutnant, der halb mit seinem wollustschnaubenden Pferd verwachsen ist, aber so engagiert, dass daraus ein eigener Effekt wird. Alexandra Burgstaller und Erich Überlacker adaptierten mit wirkungsvollem ästhetischem Understatement, also mit ein paar schwarzen Kisten, den berühmte Innenhof des Schlosses für das sprachwitzige Verwirrspiel.

Akkordeonist und Landpomeranze

Neben Volker Wahl, der ingeniös den Beauperthuis verkörpert, neben Tobias Kochseder als französisch durch die Stadt streunendem Akkordeonisten, neben Sonja Kreibichs naiver Landpomeranze Helene und ihrem von Ingo Paulick gespielten, geldgierigen Vater, neben Leila Müller als weiterer Corona-Einspringerin, Hutmacherin und attraktiver, aber ganz aufsässiger Ex – neben all diesen also wäre gerechterweise auch das ganze restliche Ensemble noch hervorzuheben, wovon man sich aber auch glech selbst in Spittal überzeugen kann. (Michael Cerha, 25.7.2022)