Bei aller Opulenz der Besetzung und Orchestrierung sorgte Maxime Pascal für Transparenz.

Foto: Meng Phu

Die Schafe sind die Schöffen. Das Schwein hat den Vorsitz, denn Tiger und Fuchs haben sich für befangen bzw. krank erklärt, während die Schlange pfeifend davongezischt ist. Bleibt Porcus, um Jeanne zu richten: "Hoch lebe allezeit das Schwein der Schweine! Es ist würdig, bei unserem erhabenen Gericht den Vorsitz zu übernehmen! Grunz! Grunz!"

Jeanne d’Arc au bûcher von Arthur Honegger ist viel mehr als die "Veroperung" eines Prozesses. Das dramatische Oratorium ist die exemplarische Bloßstellung aller Schauprozesse. Zumindest wenn sie so schnörkellos interpretiert wird wie bei den Festspielen. Honegger lässt einiges als schrille Jahrmarktmusik daherkommen, während die Verhandlung wie ein abgekartetes Spiel zwischen Macht (Politik und Geistlichkeit) und Laster (Dummheit, Eitelkeit, Habsucht) wirkt.

Seltsames Instrument

Die Ondes Martenot, ein frühes elektronisches Instrument, das grandiose Schwebungen und Glissandi hervorbringt, haben ihre Sternstunden: Das Heulen des Höllenhundes, aber auch die Sphärenklänge des Himmels sind ihr Bereich. Unter der Leitung von Maxime Pascal haben das SWR-Symphonieorchester, der Chor des Bayerischen Rundfunks, der Festspiele und Theater Kinderchor und ein grandios besetztes Solisten-Ensemble das Meisterwerk zu einer aktuellen Anklage werden lassen.

Die Sprache des Opfers

Die Rolle der Jeanne d’Arc ist mit der Schauspielerin Irène Jacob besetzt, für Cineasten eine Ikone seit den Filmen von Krzysztof Kieślowski. Mit größter Einfachheit in der Deklamation, unter Verzicht auf beinahe jede Geste, gab sie eine beeindruckende Jeanne d’Arc.

Die Story der Frau, die nach dem Ruf Gottes ihren König erfolgreich aufrüttelt, endlich sein geteiltes Land wieder zu vereinen, und dafür zum Hexentod verurteilt wird, basiert auf dem abstrakt-symbolistischen Text von Paul Claudel von 1935. 1945 kam ein Prolog hinzu, der die Besetzung Frankreichs durch die Nazis mitdenken lässt.

Himmlische Passagen

Die bei aller Opulenz der Besetzung und Orchestrierung von Maxime Pascal transparent und präzise artikulierte Interpretation? Mit dem Verzicht auf weihevoll ausgewalzte Frömmigkeit in den betörend klangsinnlichen "himmlischen" Passagen war sie der ideale Partner für die Sprechsolistin und das Gesangsensemble.

Der höhnische Herold, Porcus, der Vorsitzende, die Gegner der Jungfrau, aber auch ihr Beistand Bruder Dominik, Tempelsänger oder Mönch, die vom Himmel klingenden Stimmen der beiden Heiligen Marguerite und Catherine: Sie alle wurden schauspielerisch eindrucksvoll erweckt.

Genannt werden müssen – wegen ihrer Eloquenz und virtuoser stimmlicher Präsenz: Jérôme Kircher als Frère Dominique, Elena Tsallagova als La Vierge, Mélissa Petit als Marguerite. Martina Belli als Catherine, Damien Bigourdan als Porcu, mit Marc Mauillon, Damien Pass und Emilien Diard-Detoeuf. War inhaltlich aufrüttelnd, musikalisch überwältigend.
(Heidemarie Klabacher, 26.7.2022)