Gesundheitsminister Rauch lässt das Aus für die Quarantäne seit Wochen vorbereiten.

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Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher präsentiert am Nachmittag auch Maßnahmen zum Schutz von Risikogruppen am Arbeitsplatz.

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Wer sich infiziert hat, darf wieder das Haus verlassen und zu weiten Teilen am öffentlichen Leben teilnehmen. Voraussetzung ist allerdings das Tragen einer FFP2-Maske.

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Wien – Das Aus für die Corona-Quarantäne ist nach langen Diskussionen besiegelt: Eine entsprechende Verordnung, die stattdessen Verkehrsbeschränkungen für positiv Getestete vorsieht, liegt nun vor. Wer sich nachgewiesenermaßen infiziert hat, darf dann wieder das Haus verlassen und zu weiten Teilen am öffentlichen Leben teilnehmen. Voraussetzung ist allerdings das Tragen einer FFP2-Maske. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) haben dazu am Dienstag eine Pressekonferenz abgehalten.

Eine entsprechende Verordnung wurde in den vergangenen Wochen im Gesundheitsministerium ausgearbeitet – und heftig diskutiert, wie DER STANDARD berichtete. Am Vormittag wurde eine finale Version der Verordnung, die dem STANDARD vorliegt, an die Corona-Ampelkommission verschickt. Wie bereits kolportiert, soll sie am 1. August in Kraft treten. Sie soll bundesweit einheitlich gelten. Gesetzliche Spielräume werden den Bundesländern damit nicht gewährt. Das heißt, dass Wien keinen strengeren Weg wählen und die Quarantäne wie gewünscht beibehalten kann.

Diese sogenannte Covid-19-Verkehrsbeschränkungsverordnung gilt demnach für Personen, für die ein positives Corona-Testergebnis vorliegt. Die Dauer der Verkehrsbeschränkung orientiert sich an den bisherigen Regeln für Quarantäne. Grundsätzlich enden die Verkehrsbeschränkungen zehn Tage nach dem Zeitpunkt der Entnahme der Probe, die zum positiven Ergebnis geführt hat. Ein Freitesten ist ab dem fünften Tag möglich: Wer dann einen negativen PCR-Test oder einen Ct-Wert über 30 hat, für den gelten keine Verkehrsbeschränkungen mehr.

Maskenpflicht auch im privaten Wohnbereich

Die FFP2-Masken-Pflicht gilt für positiv Getestete außerhalb des privaten Wohnbereichs in geschlossenen Räumen, wo physischer Kontakt zu anderen besteht, in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in privaten Verkehrsmitteln (sofern sich dort auch andere Personen aufhalten) und im Freien, sofern der Mindestabstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann. Unter bestimmten Voraussetzungen gilt die Maskenpflicht auch im privaten Wohnbereich: nämlich dann, wenn dort mehrere Haushalte in geschlossenen Räumen zusammenkommen oder im Freien der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

Die Maske sei "korrekt" zu tragen, wird im Verordnungstext betont. Das heißt: Mund und Nase müssen vollständig bedeckt sein, die Maske muss regelmäßig gewechselt werden.

Bei der Pflicht setzt man auf Vernunft

Und wie soll die Maskenpflicht kontrolliert werden? Im Gesundheitsministerium ist man sich dessen bewusst, dass das nicht flächendeckend möglich sein wird. Das sei auch schon bei der üblichen Quarantäne nicht möglich gewesen – auch hier habe es bloß stichprobenartige Kontrollen gegeben. Bei der Maskenpflicht für Infizierte setzt man in Rauchs Ressort auf die Vernunft in der Gesellschaft.

Wie erwartet sieht die Verordnung überdies Betretungsverbote für Infizierte vor. Diese sind im Wesentlichen für besonders vulnerable Settings (Gesundheitseinrichtungen, Kindergärten, Volksschulen) vorgesehen. Generell ausgenommen von Betretungsverboten in vulnerablen Bereichen sind Mitarbeiter und Betreiberinnen. Wenn die Maske aus medizinischen Gründen (zum Beispiel Schwangerschaft) nicht getragen werden kann oder die Ausübung des Jobs dadurch verunmöglicht wird (etwa bei Musikern), dürfen Infizierte auch ihren Arbeitsort nicht betreten.

Im Gesundheitsministerium hat man sich aus mehreren Gründen für die Verkehrsbeschränkungen entschieden. Zum einen schätzt man die Omikron-Variante weiterhin so ein, dass sie zwar hochansteckend sei, aber eher milde Verläufe nach sich ziehe. Zum anderen seien neben der Impfung nun auch Corona-Medikamente als "zusätzliches Netz" verfügbar. Darüber hinaus glaubt man fest daran, dass man durch das Covid-Register künftig einen besseren Überblick über die Pandemielage haben werde, wenn die Spitäler dort reichlich Daten einmelden. Der Gesundheitsminister geht auch davon aus, dass sich die Menschen wieder mehr testen lassen, wenn sie nicht mehr in Quarantäne müssen. Derzeit würden das viele aus diesem Grund nicht mehr tun.

Variantenmanagementplan angekündigt

Als weitere Themen für die Pressekonferenz kündigen die beiden Regierungsmitglieder etwa den Schutz von Risikogruppen durch Impfen und Medikamente an. Diskutiert wurde dabei im Vorfeld eine bundesweit verbesserte Verabreichung spezieller Medikamente, sobald Angehörige von Risikogruppen infiziert sind. Auch zum Schutz von Risikogruppen am Arbeitsplatz kündigen Kocher und Rauch Entscheidungen an.

Ebenfalls auf dem Programm steht die Präsentation eines Variantenmanagementplans. An diesem arbeitet das Gesundheitsministerium schon länger. Die Idee dahinter ist, Handlungsanleitungen für unterschiedliche Szenarien in der Entwicklung des Coronavirus zu erarbeiten.

Harsche Hacker-Kritik am Bund

Noch vor dieser Verkündung findet am Nachmittag eine Konferenz der Landesgesundheitsreferenten mit Rauch statt. Im Vorfeld dieser Beratungen übte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) heftige Kritik an der Vorgangsweise des Bundes und äußerte die Befürchtung, dass im Herbst ein neuer Lockdown drohen könnte. "Das Theater für Herbst und Winter ist vorprogrammiert", meinte Hacker. "Spätestens im September fliegen uns die Zahlen um die Ohren."

Er befürchtet, dass man spätestens im November dann wieder über einen Lockdown diskutieren werde, weil im Herbst in einigen Bundesländern die Spitäler überlastet sein werden. Zum Teil seien sie jetzt schon überlastet.

Der Wiener Stadtrat verwies darauf, dass die Weltgesundheitsorganisation die Situation als besorgniserregend eingestuft und die Regierungen zu Maßnahmen aufgefordert habe. Und auch der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe vor Lockerungen gewarnt. "Nur wir bilden uns ein, es besser zu wissen", verwies Hacker auf die von der Regierung schon in den letzten Wochen vorgenommenen Lockerungen und kritisierte, dass der Bund die Pandemie für beendet erkläre.

Hacker beklagte auch, dass die drei SPÖ-geführten Bundesländer die Unterlagen erst während der Sitzung der Landeshauptleute mit der Regierung am Montag erhalten haben, während die anderen Länder diese schon früher übermittelt bekommen hätten. "Zusammenarbeit ist keine Einbahnstraße." Deshalb stelle sich für ihn auch die Frage, wer die Verantwortung übernehme. Und das könne nur der Gesundheitsminister sein, sagte Hacker.

Festhalten an Quarantäne in Wien ausgeschlossen

Ob Wien nun eigene, strengere Maßnahmen treffe, konnte Hacker deshalb auch noch nicht sagen. Es werde noch zwei bis drei Tag dauern, bis man die erst am Montag erhaltenen Unterlagen durchgearbeitet habe. Dass Wien aber bei Quarantänebestimmungen bleibe, wenn sie der Bund abschafft, schloss Hacker wie schon am Vortag Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) aus. Das mache angesichts der rund 300.000 Menschen, die täglich nach Wien pendeln, auch keinen Sinn.

Diskutieren will Hacker bei der Sitzung der Landesgesundheitsreferenten auch über die Registerverordnung. Den Vorwurf, dass nur Wien die Daten nicht ins Spitalsregister einmelde, nannte der Stadtrat eine "echte Falschmeldung".

Der Kritik Hackers an der Regierung schloss sich auch SPÖ-Vizeklubobmann Jörg Leichtfried an: "Statt faktenbasierte und verantwortungsvolle Maßnahmen zu setzen und eine stringente Vorbereitung für den Herbst zu treffen, taumelt sie mit rein politisch motivierten, höchst falschen Entscheidungen von einer Corona-Welle in die nächste."

In die andere Richtung ging die Kritik von FPÖ-Obmann Herbert Kickl: Er forderte in einer Aussendung ein Außerkraftsetzen des Covid-19-Maßnahmengesetzes "als Grundlage für sämtliche Willkürmaßnahmen des Gesundheitsministers". Kickl warnte auch vor neuerlichen Überlegungen für einen Lockdown, die seiner Auffassung nach ein Brandbeschleuniger der sozialen Krise wären.

Erzürnte Sozialdemokraten, verärgerter Minister

Bereits am Montag hatten sich die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zu einem Bund-Länder-Gipfel getroffen, um die geplanten Maßnahmen zu diskutieren. Die SPÖ-Landeshauptmänner Michael Ludwig (Wien) und Peter Kaiser (Kärnten) zeigten sich danach allerdings enttäuscht bis erzürnt. "Ich hätte mir fachlich aufbereitete Entscheidungsgrundlagen erwartet", sagte Kaiser. Ludwig stößt sich vor allem am geplanten Quarantäne-Aus: "Ich sehe diesen Vorstoß der Bundesregierung als Schritt in die falsche Richtung", sagte er.

Angesichts dieses offenen Konflikts zwischen Bund und SPÖ-geführten Ländern hat Gesundheitsminister Rauch am Dienstag in einem Interview verdeutlicht, den Krisenmodus sukzessive verlassen zu wollen. Man müsse "einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht über Jahre hinweg dieses Ausmaß an pandemiebedingter Krisenstimmung leben können", sagte er der "Tiroler Tageszeitung" (Dienstagsausgabe).

Sollte es "darauf ankommen und sich die Lage erneut zuspitzen", werde er der Erste sein, um bei den Corona-Maßnahmen nachzuschärfen, bekräftigte der Gesundheitsminister zugleich. Er wolle sich auch nicht vorhalten lassen, zu wenig auf die gefährdeten Gruppen zu achten: "Wir haben schließlich weiter Maskenpflicht in Alten-und Pflegeheimen, in Spitälern oder Arztpraxen".

Verärgert zeigte sich der Minister darüber, dass bereits seit Tagen ein Entwurf über das Aus für die Quarantäne medial zirkuliere. Es liege offenbar "im Wesen des österreichischen Politikbetriebs, dass Themen fortwährend geleaked werden", kritisierte Rauch: "Wir sind sehr bemüht, im Vorfeld auf vertraulicher Ebene alle Stakeholder miteinzubeziehen. Dann passieren solche Sachen, die das wieder torpedieren. Das ist dann schon schmerzlich und lässt einen überlegen, ob man solche vertraulichen Runden überhaupt noch machen soll". Er wolle aber weiterhin bei "der so wichtigen Vorabstimmung" alle mit an Bord haben, betonte der Ressortchef. (rach, jan, sefe, APA, 26.7.2022)