Nach dem Treffer von Chloe Kelly (rechts) brachen alle Dämme.

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Papierschnitzelbad.

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Nachbesprechung.

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Zwei Garantinnen des Erfolgs: Beth Mead und Sarah Wiegman.

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Europas neue Meisterinnen im Fußball.

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Das Schöne an großen Endspielen ist, dass sie Klarheit schaffen. Eine für den Moment unumstößliche Klarheit. Denn: Nur ein Team kann gewinnen. Demnach muss auch ein Team verlieren. Im ausverkauften Wembley-Stadion hat England gewonnen. Es war der erste große Fußballtitel seit dem Triumph der Männer bei der WM 1966.

Die BBC gab am Tag danach bekannt, dass zu Spitzenzeiten 17,6 Millionen Zuseher und Zuseherinnen das Spiel verfolgten. BBC-Direktor Tim Davie sagte: "Wir sind extrem stolz, diesen besonderen Sportmoment der Öffentlichkeit zugänglich machen zu können." Das Finale war außerdem die bisher meistgesehene BBC-Sendung 2022.

Auch das deutsche TV vermeldete: Die Übertragung des Finales haben im ARD-Fernsehen durchschnittlich fast 18 Millionen Menschen gesehen. Der Marktanteil lag bei fast 65 Prozent.

Finaler Fight

Es war ein spannendes Finale, das vor allem durch eine Tatsache geprägt war: Es war ein Finale. Das große Risiko, ein packender Schlagabtausch war nicht zu sehen, vielmehr lebte die Partie von der Suche nach einem Champion. Oder, anders: Es war ein Fight. Ein Beispiel gefällig? Kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit der Verlängerung geraten Englands Jill Scott und Deutschlands Sydney Lohmann aneinander. Scott, eine Ikone des englischen Fußballs, ließ ihrem Ärger freien und gut dokumentierten Lauf: "Fuck off, you fucking prick" (etwa: "Ich finde, du bist eher blöd, bitte entferne dich"). Die 161-fache Nationalspielerin entschuldigte sich nach dem Match.

Die siegreiche Trainerin Sarina Wiegman, die nach ihrem Titel mit den Niederlanden 2017 nun die zweite Nation in Folge zum Triumph coachte, sagte anschließend: "Es war ein sehr enges Match, aber wir haben es gewonnen. Ich bin stolz." Und: "Ich habe mein erstes Bier seit Jahren getrunken."

"Das Vermächtnis dieses Turniers und dieses Teams ist eine Veränderung in der Gesellschaft. Wir haben alle zusammengebracht", freute sich Kapitänin Leah Williamson. Auch Wiegman war sich bewusst, dass der Erfolg eine besondere Auswirkung haben wird. "Dieses Turnier hat so viel gemacht für den Frauenfußball, aber auch für die Gesellschaft und Frauen in der Gesellschaft in England, ich denke aber auch in Europa und auf der ganzen Welt", verlautete Englands Teamchefin.

Deutscher Ärger

Schon zuvor wurde damit gerechnet, dass die Niederländerin Wiegman im Fall des Titelgewinns von Queen Elizabeth II ausgezeichnet wird. Williamson und die zur besten Spielerin des Turniers gekürte Torschützenkönigin Beth Mead dürften sogar geadelt werden.

In Deutschland war man vor allem enttäuscht. Trotz exzellenter Leistungen über das ganze Turnier hinweg sollte es nichts werden mit dem neunten EM-Titel. Besonders ärgerte man sich über eine Szene in der 26. Minute, als ein mögliches Handspiel von Williamson im Strafraum überprüft wurde. Einen Elfmeter gab es nicht.

Für Trainerin Martina Voss-Tecklenburg war es "klares Handspiel. Auf dem Niveau, in einem Finale, darf das nicht passieren." Die ukrainische Schiedsrichterin Kateryna Monsul hatte die Szene nicht einmal auf Video angeschaut. Dass Lena Oberdorf zur besten jungen Spielerin des Turniers gewählt wurde, war da wenig Trost. Die Enttäuschung überwog. Vorerst. Kapitänin Svenja Huth: "Wir sind trotzdem froh und stolz." (Andreas Hagenauer, 1.8.2022)