Schon Douglas Adams vermutete in seinem Kultroman "Per Anhalter durch die Galaxis", dass wir Menschen nicht die intelligenteste Spezies der Erde sind. Genauer seien wir bloß auf dem dritten Platz zu finden, gleich hinter den Delfinen.

Dass darin ein Körnchen Wahrheit liegen könnte, zeigt eine neue Untersuchung: Forscherinnen und Forscher beobachteten in den Bahamas, wie Atlantische Fleckendelfine auf fremde Delfine reagieren. Anstatt die Neulinge zu bekämpfen, begegneten ihnen die Meeressäuger in Frieden, oft sogar liebevoll.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Nicole Danaher-Garcia vom "Dolphin Communication Project" bemerkten schon vor fünf Jahren, wie sich Delfine aus der nördlichen Little Bahama Bank in das Gebiet einer anderen Gruppe Fleckendelfine um das Eiland Bimini vorwagten. Größer und stärker gefleckt als ihre Artverwandten konnten die Fachleute die Neulinge leicht erkennen. Die Norddelfine wanderten in den Süden aus.

Ein Atlantischer Fleckendelfin mit seinem Kalb über einer Sandbank der Bahamas.
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Friedliches Verschmelzen

Waren es zuerst nur einzelne Delfine, kamen sie bald in Scharen, bis an die fünfzig Neulinge zu der 120 Tiere zählenden ortsansässigen Delfinschule stießen. Entdeckten Danaher-Garcia und ihr Team einen der breiten Rücken der Norddelfine, stürzten sie sich in die Fluten, um das Verhalten der Tiere zu beobachten. Wie die Forscherinnen und Forscher nun in der Fachzeitschrift "Royal Society Open Science" berichten, konnten sie keine Aggressionen zwischen den beiden Gruppen feststellen.

Im Gegenteil, die Meeressäuger zeigten bald alle Anzeichen delfinischer Freundschaft: Mitglieder beider Lager durchzogen Seite an Seite das klare Wasser, rieben sich aneinander und bildeten Pärchen, wobei nicht nur platonische Freundschaften entstanden. Einige männliche Norddelfine schwammen bauchaufwärts unter Weibchen aus Bimini – ein Paarungsritual. Ob aus diesen Begegnungen Nachwuchs hervorging, werden genetische Tests zeigen.

Die Friedfertigkeit ist aber keine Selbstverständlichkeit. Die meisten Säugetiere greifen Eindringlinge an, und Delfine sind hier im Allgemeinen keine Ausnahme: Manche Arten der Meeressäuger verteidigen ihre Fanggebiete erbittert, männliche Tümmler kämpfen eifersüchtig um die Gunst ihrer auserwählten Delfindame.

In den Delfingesellschaften herrscht nicht immer Harmonie. Dennoch sind die Meeressäuger äußerst soziale Tiere.
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Wahre Männerfreundschaften

Dass aber auch die Männchen so schnell enge Bindungen untereinander eingingen, überraschte die Fachleute. "Man würde meinen, die Bimini-Männchen sollten die Neulinge ablehnen, weil sie Konkurrenten um die Weibchen sind", sagt Danaher-Garcia. Doch keine Spur von Feindseligkeiten: Wie die Forscher angeben, wurden die männlichen Norddelfine von den Bimini-Männchen beinahe enthusiastisch begrüßt. Bald sah das Team Männchen, die gemeinsam tauchten, ihre Flossen aneinander rieben, miteinander in der eigentlich für Mütter und Kälber typischen Position schwammen und sich paarten.

Freundschaften zwischen männlichen Tieren sind von zentraler Bedeutung im sozialen Gefüge einer Delfinschule: Zum Beispiel halten sich die Pärchen beim gemeinsamen Jagen gegenseitig den Rücken frei. Doch normalerweise befreunden sich Delfine sehr früh im Leben. Umso erstaunlicher, dass die Fleckendelfin-Männchen in den Bahamas noch als ausgewachsene Tiere neue Freunde finden.

Mittlerweile haben sich die beiden Delfingruppen zum Großteil vermischt. Die Meeressäuger zeigen dabei, wie sozial anpassungsfähig sie sind. Diese Fähigkeit könnten Delfine in Zukunft noch öfter benötigen, werden die sich erwärmenden Ozeane doch noch so manche Umwälzung in der Gesellschaft der Tiere verursachen. (dos, 5.8.2022)