Der Pegelstand des Neusiedler Sees ist derzeit besonders niedrig.
Foto: APA/Nina Kornberger

Die globale Erwärmung belastet viele Regionen mit steigenden Temperaturen und extremen Dürreperioden. In Österreich zeigt sich das besonders deutlich im Burgenland: So, wie Menschen die Region Seewinkel umgestaltet haben, um sie etwa für Landwirtschaft zu nutzen, gerät beispielsweise das Ökosystem Neusiedler See gerade unter großen Druck. Die Hitze im Wasser lässt unter anderem Fische verenden.

Auch Vögel kommen in diesem Lebensraum immer schlechter mit den sich verändernden Bedingungen zurecht. Die seltenen Salzlacken, die zunehmend austrocknen, nutzen Zugvögel gewissermaßen als Tankstelle bei ihrer Reise von Afrika in den Norden. Wenn sie nicht mehr verfügbar sind, kann das für Probleme sorgen. Doch auch ansässige Arten haben mit verschiedenen Faktoren zu kämpfen. Auf einen dieser Aspekte weist eine aktuelle Studie im "Journal of Ornithology" der Vogelschutzorganisation Birdlife Österreich hin: Die Schilfbestände am Ufer des Neusiedler Sees sind demzufolge überaltert und werden dadurch für die vorkommenden Vogelarten zunehmend unattraktiv.

Silberreiher nistet nicht mehr im Nationalpark

Grund dafür sind die höheren Temperaturen rund ums Jahr. Immer öfter fehlt die winterliche Eisdecke, was das Zurückschneiden von altem Schilf erschwert. Dadurch erneuern sich die Pflanzen nicht ausreichend und stellen für einige Vogelarten keinen passablen Nistplatz mehr dar. "Selbst für Arten, die an ältere Schilfbestände angepasst sind, erweisen sich große Teile des Schilfgürtels als zu degradiert", heißt es in der Studie.

Der Silberreiher – hier in Florida eingefangen – ist ein Charaktervogel des Neusiedler Sees. Doch die Lage wird auch für ihn zunehmend prekär.
Foto: Imago

Somit verlören die Brutvögel einen wichtigen Lebensraum und infolge führe dies zu dramatischen Rückgängen in den Bestandszahlen der hier brütenden Singvögel und Rallen, schrieb die NGO am Freitag in einer Aussendung. Der als Aushängeschild des Nationalparks geltende Silberreiher sei mittlerweile ebenfalls betroffen. Er habe heuer bereits nicht mehr im Nationalpark genistet.

Abhilfe durch kontrollierte Feuer?

Es mag angesichts von Waldbränden paradox klingen, doch ein kontrolliertes Brandmanagement sei laut Birdlife die einzige erfolgversprechende Maßnahme, um den Schilfgürtel zu verjüngen und seine Vogelvielfalt zu bewahren. Eine Ernte des am Boden liegenden Altschilfs sei aller Voraussicht nach nicht ohne dauerhafte Schäden möglich.

Mit einer Fläche von 163 Quadratkilometern, 104 davon auf österreichischem sowie 59 auf ungarischem Staatsgebiet, bilde der Schilfgürtel des Neusiedler Sees nach dem Donaudelta das zweitgrößte Schilfgebiet in Europa. Noch beherberge er für einige Vogelarten die wahrscheinlich größten Populationen des Kontinents, genannt wurden etwa der Mariskensänger mit 5.000 bis 7.000 Brutpaaren.

DER STANDARD

Jedoch komme es in den vergangenen Jahren vermehrt zum flächigen Zusammenbruch und Absterben von Schilfbeständen, was wiederum für teilweise dramatische Rückgänge bei den Vogelpopulationen sorgen würde. Als ein Beispiel wurde das Kleine Sumpfhuhn genannt, eine europaweit geschützte Art, die am Neusiedler See in den 1990er-Jahren eines der weltweit größten Vorkommen von bis zu 22.000 Paaren stellte. Aktuell wird die Population auf nur mehr 4.000 geschätzt.

Wertlose Schilfmatten

"Fast 50 Prozent des Schilfgürtels sind extrem überaltert", berichtet Erwin Nemeth von Birdlife Österreich, einer der Autoren der neuen Studie. Aktuelle Daten würden sogar zeigen, dass 17 Prozent der Flächen total zusammengebrochene "Schilfmatten" bilden, die für praktisch alle Vogelarten wertlos sind. Aber auch für große Schreitvögel, die in Kolonien brüten, verschlechtere sich die Situation dramatisch.

"Im Gegensatz zu früher hat heuer erstmals kein einziges Silberreiherpaar im Nationalpark gebrütet", betonte Nemeth, "Die früheren Koloniestandorte sind verwaist. Stattdessen ist die Art in die stärkeren Schilfbestände am Rande des Sees ausgewichen, die sie zum Nestbau benötigen. Diese Standorte genießen jedoch nicht den Schutz des Nationalparks und sind sehr anfällig für Störungen. Eine mehr als prekäre Situation für den Charaktervogel des Neusiedler Sees."

Bis in die 1950er-Jahre wurde der Alterungsprozess des Schilfgürtels durch großräumigen Schilfschnitt und Brand im Winter verhindert oder verlangsamt. In den letzten Jahrzehnten führte der Klimawandel zu wärmeren Wintern mit nur kurzzeitig bestehender Eisdecke. Die fehlende Eisdecke im Winter verhindert ein nachhaltiges Abschneiden sehr alter Schilfbestände, weshalb der Schilfschnitt nunmehr nicht auf tragfähigem Eis, sondern auf teils überschwemmtem Boden erfolgt.

Seltenes Feuermanagement

In tieferem Wasser kommt es dann auch bei schonendem Einsatz von Erntemaschinen zu dauerhaften Schäden. "Wir empfehlen daher die vorsichtige Einführung eines kontrollierten Feuermanagements als Maßnahme zur Sicherung dieses einzigartigen Vogellebensraums", sagt Nemeth. Dazu reiche es, ein Gebiet nur einmal in 15 Jahren zu brennen.

"Das kontrollierte Abrennen des Schilfs wäre auch aus Sicherheitsgründen angebracht", weiß der Experte. Ein Fall im Juli 2022 habe demonstriert, dass Brände hier auch durch Blitzschlag ausgelöst werden können. Es sei also möglich, dass das derzeit angehäufte Altschilf unbeherrschbare Großbrände auslöst. Kontrolliertes Feuermanagement in den Wintermonaten könnte dieses Risiko eindämmen. (APA, red, 5.8.2022)