Profis und Laien bringen die Kleist-Novelle als Volksoper des 21. Jahrhunderts auf die Bühne.

Foto: Griessner Stadl

Paradiesisch-wüst geht es in Kleists Novelle Das Erdbeben von Chili zur Sache. Im Griessner Stadl wird das Werk nun zum Opernstoff: Die Suche nach einem zeitgemäßen Volkstheater brachte die Kulturinitiative bereits Uraufführungen von Jelineks Moosbrugger will nichts von sich wissen und Hallo, Mama? ein, nun soll im Stadl in der Steiermark erstmals eine Volksoper des 21. Jahrhunderts auf die Bühne. Unter der Regie von Martin Kreidt und mit der Komposition von Elisabeth Harnik treffen im neuen musikalischen Format Darstellende aus der Region auf Profis.

Bei Kleist fand man den geeigneten Stoff: Einer nicht-standesgemäßen Liebe droht in einer streng hierarchischen Gesellschaft das tödliche Aus. Als plötzlich eine Naturkatastrophe hereinbricht, werden Strukturen zugunsten einer übergreifenden Solidarität aufgebrochen – doch nur, um kurz danach in eine noch größere Spaltung und Sündenbocksuche überzugehen. Obwohl mehr als 200 Jahre alt, hat der Text nichts an Schärfe eingebüßt: Covid-Pandemie und Umweltkrise lassen grüßen.

Zeitgenössisches trifft Tradition

An der Schnittstelle von zeitgenössischer Kunst und Tradition arbeitet das Griessner Stadl bereits seit 2015 unter der Leitung von Anita Winkler und Ferdinand Nagele. "Wir machen die Arbeit, die die Repräsentationskultur nicht macht, indem wir etwas riskieren, nicht auf Nummer sicher gehen", sagt Nagele. Gerade auf dem Land, wo die Abwanderung am größten ist, würden lokale und innovative künstlerische Projekte gebraucht. Daher setze man den Fokus auf die Zusammenarbeit. International trifft lokal, Zeitgenössisches trifft Tradition, Laie trifft Profi – eine echte Volksoper des 21. Jahrhunderts. (Laura Kisser, 11.8.2022)