Mehr IT-Fachkompetenz in den Behörden: Damit will die Regierung das Versagen rund um den Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr aufarbeiten. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigte an, künftig flächendeckend für technisch versierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu sorgen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), dessen Polizeibeamte besonders in Kritik geraten waren, blieb auffällig still – soll Zadić zufolge aber auch die Not an Ressourcen erkannt haben. Das ist ein wichtiger Schritt.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) kündigte an, künftig flächendeckend für technisch versierte Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu sorgen.
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Aber der Mangel zeichnet sich bereits seit Jahren ab. Ein Sinnbild dafür ist die Verfolgung von strafbaren Beiträgen in sozialen Medien. So führt Meta als einer der wenigen Social-Media-Konzerne seit Jahren Zahlen zu staatlichen Anfragen. Heimische Behörden verzeichneten im zweiten Halbjahr 2021 bei 443 Anfragen – etwa zu Informationen über User – eine Erfolgsrate von 58 Prozent. In den Jahren zuvor war sie weitaus niedriger (zum Vergleich: in Schweden liegt die Erfolgsrate seit Jahren bei rund 90 Prozent). Das liegt nicht zuletzt daran, dass die österreichischen Behörden mit digitalen Straftaten überfordert sind.

Wieso brauchte es also erst den Fall Kellermayr, um diesem Defizit entgegenzuwirken? Bereits im vergangenen Jahr stellte die Regierung ein Gesetzespaket vor, das dem Phänomen Einhalt gebieten sollte. Einerseits wurden Verschärfungen von Straftatbeständen beschlossen. Andererseits sollen Plattformen gezwungen werden, rechtswidrige Beiträge innerhalb von 24 Stunden nach einer Meldung zu entfernen. Gegen Verstöße sind empfindliche Strafen in Höhe von bis zu zehn Millionen Euro vorgesehen. Nur: Jene Plattformen, auf denen sich radikale Gruppierungen aufhalten, wie etwa Telegram, entziehen sich einfach einer Rechtsverfolgung. Das verantwortliche Verfassungsministerium von Karoline Edtstadler (ÖVP) verweist auf rechtliche Verfahren gegen Telegram. Doch die Plattform ignoriert diese einfach.

Ernüchternde Bilanz

Angesprochen darauf, pochte Zadić im Interview auf den Digital Services Act der EU. Diese gemeinsame Regelung soll Plattformen, die Behördenanfragen ignorieren, endlich zur Kooperation zwingen. Damit gesteht die Justizministerin ein: Dem Gesetz gegen Online-Plattformen fehlt der Biss. Das war schon bei der Verabschiedung klar, als Experten kritisierten, dass die Regeln sich nicht umsetzen ließen.

Selbst jene Unternehmen, die sich an die Kriterien halten, tun dies mit wenig Sorgfalt: Bei Youtube etwa wurde im ersten Halbjahr kein einziges Posting nach den Vorgaben des Gesetzes gelöscht.

Und auch sonst ist die Bilanz zu dem Gesetz eher ernüchternd: Den Weg zum Gericht wählen die wenigsten Opfer, geschweige denn nutzen sie Hilfsangebote wie die psychosoziale Prozessbegleitung. Zu sehr hat die Regierung Showpolitik betrieben, indem sie sich als Vorkämpferin gegen die Social-Media-Konzerne inszenierte – ohne dafür zu sorgen, dass Betroffene sich wirksam wehren können. Eine Informationskampagne, wie sie Alma Zadić angekündigt hat, ist eine wichtige Maßnahme. Sie bringt aber nichts, wenn jene, die schon einmal Hassbeiträge erhalten haben, den Eindruck haben, nicht ernst genommen zu werden. Hier steht Innenminister Karner in der Pflicht. Der hat sich bisher lediglich schützend vor die zuständige Polizeibehörde gestellt. Ein paar Infoflyer werden nicht ausreichen. (Muzayen Al-Youssef, 10.8.2022)