Bildungssprecherin der Grünen Sibylle Hamann, Bildungsminister Martin Polaschek und Integrationssprecher Ernst Gödl (beide ÖVP) bei der Pressekonferenz am Donnerstag.

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Zu Beginn des letzten Sommersemesters war ein Krieg in Europa noch fern jeglicher Vorstellung. Ende Februar, als Russland die Ukraine überfiel, wurde er Realität. Die dadurch ausgelöste Fluchtbewegung kam auch in Österreichs Klassenzimmern an: Im ganzen Land wurden rasch Klassen aufgefüllt und vor allem neue ukrainische Schulklassen eingerichtet. Die vorläufige Bilanz: 11.000 Schülerinnen und Schüler wurden bis zum Ferienende dort unterrichtet. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) rechnet mit bis zu 50.000 Schulkindern, die mittelfristig noch folgen könnten.

Paralleler Unterricht

Eine Veränderung für diese Kinder bringt nun das neue Schuljahr 2022/2023 mit sich: Legte man die Schulpflicht unmittelbar nach der Ankunft der ukrainischen Schüler nicht so streng aus, soll diese nun ab Herbst auch für sie gelten.

Zuvor folgten viele neben dem österreichischen Unterricht auch dem ukrainischen in der Heimat via Distance-Learning. Weil einige zu kurz da waren, um das Schuljahr in Österreich abzuschließen, wollte man ihnen die Möglichkeit geben, ein ukrainisches Zeugnis zu erhalten. Dort endete das Schuljahr bereits Anfang Juni. Nun würden aber die Angebote von ukrainischen Schulen zunehmend zurückgefahren, hieß es. Zu jenen Schulen, die diese weiter aufrechterhalten, sollen sich die Schüler auch künftig dazuschalten könne, allerdings in der unterrichtsfreien Zeit.

Maßnahmen bleiben

Ein großes Lob sprach Polaschek in Richtung Schulen aus: "Es ist beeindruckend, mit welcher Hilfsbereitschaft die Kinder aufgenommen wurden." Die Integration habe dabei gut funktioniert, auch die Maßnahmen hätten sich bewährt. Diese sollen auch in diesem Schuljahr zum Einsatz kommen. Was das bedeutet: Polaschek will an den separaten Deutschförderklassen (DFK) festhalten. 211 dieser Klassen wurden bisher in ganz Österreich eingerichtet, hauptsächlich an Volks- und Mittelschulen, die meisten in Wien und Niederösterreich. In diesen Klassen setzte man auch auf muttersprachliche Unterstützung:

Etwa 400 ukrainischsprachige Pädagoginnen und Pädagogen wurden mittels Sonderverträgen in ganz Österreich eingestellt. Ein "Erfolgsmodell", wie es Polaschek bezeichnet, auch wenn er auf Nachfrage einräumt, dass er damit die ukrainischen Klassen meint. Die herkömmlichen und von Fachexperten kritisierten DFK, in denen nur eine Lehrerin unterrichtet, werden aktuell erst evaluiert. Ob an diesem bildungspolitischen Erbe der türkis-blauen Ära festgehalten wird, steht daher erst Ende 2022 fest.

Die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann verwies dabei auch auf den Unterschied zwischen der jetzigen Flüchtlingsbewegung und jener aus dem Jahr 2015: Syrische Familien hätten damals mit ihrem Land "abgeschlossen" – dies gelte für die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht. Dieser Umstand müsse sich daher auch im Bildungsangebot niederschlagen.

Ukrainische Unterstützung

Und das bedeutet, dass auch im nächsten Jahr ukrainische Lehrerinnen verstärkt zum Einsatz kommen. Auch soll der muttersprachliche Unterricht durch Freigegenstände ausgebaut werden. Und: Als "Ansprechpartner" werden auch Tagesbetreuer und Psychologinnen benötigt. Sie alle sollen über Sonderverträge angestellt werden und so leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten.

Wo aber gäbe es Platz für die prognostizierten 50.000 Schulkinder? Diese würde man auf die Schulen aufteilen, hielt Polaschek fest, merkte aber an, dass es sich lediglich um Hochrechnungen handle. Eine Möglichkeit wären "dislozierte Klassenzentren" – also angemietete Räume in der Nähe der Schule. Diese sollen nun dort eingerichtet werden, wo Platzmangel herrscht, aber nicht nur für ukrainische Schüler, wie der Minister betont. Wenn nötig, werden jedenfalls Mittel zur Verfügung gestellt. Wie sehr man bei den Zahlen generell im Dunkeln tappt, macht sich auch aktuell bemerkbar: Unklar ist, wie viele der 11.000 Schulkinder mit ihren Müttern in die Ukraine zurückgekehrt sind. (Elisa Tomaselli, 11.8.2022)