Was Ludwig Hackinger in seiner Werkstatt in St. Georgen bei Obernberg am Inn baut, ist Gold wert. Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. Denn mit den handgefertigten Handbikes des passionierten Oberösterreichers haben heimische Behindertensportler insgesamt schon acht Olympiamedaillen gewonnen. Allein bei den Paralympics in Tokio 2021 waren es eine Gold-, zwei Silber- und drei Bronzemedaillen, wie Hackinger stolz aufzählt: "Damit wurden alle Erwartungen überschritten, mehr geht nicht."

Acht Jahre Entwicklung und tausende Arbeitsstunden stecken in den Gefährten, mit denen Österreichs Behindertensportler schon acht Medaillen bei Paralympics geholt haben. In Paris 2024 werden weitere folgen.
Foto: Haslinger & Keck PR

Doch seit gut einem halben Jahr feilt der Daniel Düsentrieb der Handbikes schon am neuen Ziel: den Paralympics in Paris 2024. Dort werden die österreichischen Handbiker wieder mit Boliden aus der Werkstatt Hackingers am Start sein. Und natürlich will der ehrgeizige Erfinder wieder Medaillengewinner auf seinen Modellen fahren sehen.

Zwei Handbikes pro Jahr

Seit mittlerweile acht Jahren tüftelt Hackinger an Rennhandbikes. Das war so nie geplant, wie er erzählt. Denn eigentlich hat der 55-jährige Maschinenbauer einen Vollzeitjob, der ihn ausfüllt. "Und ein Privatleben habe ich auch", schmunzelt er. Daher ist die Zahl der maßgefertigten Rennmaschinen, die er jährlich produziert, streng limitiert. "Zwei Räder baue ich pro Jahr, den Rest der Zeit nimmt der Service der bereits im Einsatz befindlichen ein", erklärt er.

Jedes Teil ein Unikat. Die Handbikes aus der Manufaktur Hackinger sind unvergleichlich.
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In den vergangenen acht Jahren hat sich Hackinger im Selbststudium die nötigen Fertigkeiten angeeignet, die es braucht, um Rennräder für Menschen mit Behinderung zu bauen. Auch er selbst fährt eines seiner Räder. Denn als er erstmals ein Handbike benutzt hat, kam er drauf: "Das kann man besser machen." Seitdem tut Hackinger das. Der gelernte Orthopädieschuhmacher ist – wie er es nennt – ein "Para", also vom Brustbereich abwärts gelähmt. So wie die meisten seiner Rennfahrer, für die er baut. Nur ein Athlet, Ernst Bachmaier, ist ein "Tetra" mit noch höherem Grad an Behinderung, wie Hackinger sagt. "Ernst benötigt daher Hilfe beim Einsteigen, weil seine Arme und Hände betroffen sind. Für ihn muss ich die Bikes etwas anders bauen. Gerade was Schaltung und Bremsen angeht, die Ernst seitlich mit den Ellbogen bedient."

Gewicht und Aerodynamik

Bei der Konstruktion seiner Handbikes geht es Hackinger um zwei entscheidende Fragen: Gewicht und Aerodynamik. Im Fall der Paralympics in Tokio war der Kurs ein hügeliger, mit zahlreichen Steigungen und Abfahrten. Daher war das Gewicht für die Sommerspiele in Japan der maßgebliche Faktor. Hackinger hat es durch hunderte Arbeitsstunden mit unendlich vielen Versuchen wie Fehlschlägen geschafft, zwei Kilogramm Vorsprung auf die Konkurrenz herauszuholen. Nur neun Kilo wogen die Tokio-Bikes. Ein Vorteil, den er hütet wie einen Schatz. "Ich bin nicht am Austausch mit anderen Konstrukteuren interessiert", sagt er. Dazu habe er viel zu viel Arbeit in seine Handbikes gesteckt. Dieses Wissen will er nicht teilen.

Ludwig Hackinger hat einen selbstgebauten Backofen für Faserverbundteile.
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Für die Sommerspiele in Paris gibt es noch keine Informationen zur Strecke. Doch Hackinger rechnet mit einem flachen Kurs. Daher hat er mit einem seiner Athleten, Thomas Frühwirth, schon einige Versuche im Windkanal absolviert, um die neuen Räder zu optimieren, wie er verrät. Und er hat auch schon den selbst gebauten Backofen für Faserverbundteile in seiner Werkstatt befeuert, in dem er kleinere Bauteile selbst fertigt. Der Ofen erzeugt einen Maximaldruck von sechs Bar sowie eine Höchsttemperatur von 175 Grad Celsius. Er ist das Herzstück von Hackingers Fahrradmanufaktur. "Der Hauptrahmen hat in meinem Autoklav aber keinen Platz. Der wird bei Peak Technology ausgehärtet", verweist er auf seine Partner, die ihm beim Bau helfen.

100 km/h schnell

Wie aerodynamisch und leistungsfähig die Handbikes sind, zeigt sich bei den Höchstgeschwindigkeiten, die damit erreicht werden. Bis zu 50 km/h sind auf ebenem Gelände möglich. Dank der liegenden Position der Fahrer können bergab Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erreicht werden. "Damit lassen wir die Fahrer der Tour de France hinter uns", lacht Hackinger.

Die Fahrräder und vor allem die Rückenlehnen müssen passen wie ein Maßanzug.
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Doch bis es so weit ist, sind viele Arbeitsstunden nötig. Am schwierigsten ist die Anpassung der Rückenlehne. Der zentrale Bauteil jedes Handbikes, wie der Konstrukteur erklärt: "Die Rückenlehne ist wichtig für die Kraftübertragung. Daher wird sie in mehr als 100 Arbeitsstunden an jeden Körper ganz individuell angepasst." Da müsse man "drinliegen wie in einem Maßanzug", beschreibt es Hackinger.

Auffallen für die Sicherheit

Abseits der Rennstrecken sind Liegeräder noch Exoten. Aber der Erfinder selbst, wie auch die Athleten, die seine Räder nutzen, fahren durchaus im Straßenverkehr damit. Rechtlich ein Graubereich, erklärt Hackinger: "Es gibt eigentlich keine Zulassung dafür." Um möglichst sicher unterwegs zu sein, montiert er stets eine hohe Fahne an sein Bike sowie Blinklichter vorn und hinten – auch tagsüber. Wichtig sei, gesehen zu werden. Denn die Liegeposition bedinge, dass Handbiker oft unter der Wahrnehmungsschwelle von Autofahrern bleiben. "Eine hohe Wiese an einer Kreuzung genügt bereits – und wir sind nicht zu erkennen", weiß der Experte. Passiert sei bisher nichts, auch Anzeige habe er noch keine erhalten: "Was hoffentlich so bleibt."

Rund 20.000 Euro kostet ein Handbike von Ludwig Hackinger.
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Doch der Fokus liegt bei Hackinger ohnehin auf dem Rennsport. "Seine" Athleten seien "Extremsportler", sagt er: "Und die haben alle einen Vogel." Aber er verstehe das, schmunzelt der Konstrukteur, er sei ja selbst nicht anders. Hackingers Ruf ist mittlerweile ein internationaler. Anfragen zum Bau eines Handbikes, das 20.000 Euro kostet, kamen bereits aus vielen Ländern. Hackinger lehnte sie ab. Er baut nur für die österreichischen Handbiker und konzentriert sich ganz auf Paris. (Steffen Arora, 14.8.2022)