Antigone im neuen Anstrich: In Dornbirn wird Thomas Köcks Rekomposition aufgeführt.

Foto: Caroline Stark

Angeschwemmte, namenlose Leichen. Ein Staat, der sich weigert, Verantwortung zu übernehmen, und die Bestattung sowie jegliches Mitgefühl verbietet. Eine Frau, die dem Gesetz nicht folgt und die Körper zur Beisetzung in die Stadt trägt. Richtig gelesen: Es handelt sich hierbei um das Stück Antigone – im komplett neuen Anstrich des österreichischen Dramatikers Thomas Köck. Als Kooperation des Ensembles für Unpopuläre Freizeitgestaltung (UnPop) und Caravan wird es ab heute im Dornbirner Kulturhauspark neu auf die Bühne gebracht.

Ursprünglich als Auftragswerk für das Schauspiel Hannover entstanden, wurde Köcks Antigone. Ein Requiem an den deutschsprachigen Theaterhäusern vielfach gezeigt, 2020 auch im Wiener Akademietheater. Nun hat das Stück auch den Westen des Landes erreicht, wo UnPop bereits im letzten Sommer mit Ferdinand Schmalz’ Jedermann (stirbt) eine zeitgenössische Fassung eines alten Werks darbot. Mit Antigone. Ein Requiem unterzieht Köck Sophokles’ Tragödie einer umfangreichen Revision. Das antike Stück erfährt von dem vielfach ausgezeichneten Dramatiker eine sprachliche Aktualisierung und wird gekonnt mit zeitgenössischer Bedeutung aufgeladen:

Der tote Bruder Polyneikes wird zur undefinierbaren Leichenmasse, König Kreon zum Repräsentanten der Festung Europa. Die Debatte um die Toten entpuppt sich als Streit mit gesellschaftlicher Tragweite: Wer hat das Recht, begraben, betrauert zu werden? Egal ob Neufassung oder Original: Das zentrale Spannungsverhältnis zwischen Gesetz und Moral bleibt bestehen. Ein Konflikt, so alt wie das Theater selbst – und vielleicht gerade deshalb so aktuell. (Laura Kisser, 18.8.2022)