Innsbruck, wo es österreichweit die höchsten Mieten gibt und die Kaufpreise an der Spitze liegen, greift nun zu drastischen Mitteln.

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Es ist eine riesige Hypothek aus der Vergangenheit: In vielen Gemeinden gibt es gewidmetes Bauland, das für niemanden verfügbar ist. Die Eigentümer können oder wollen es nicht bebauen, und sie wollen es auch nicht verkaufen – weil es die Nachbarparzelle ist, auf der man Ruhe haben will, weil es auch unbebaut beständig im Wert steigt und weil es ja doch irgendwann jemand in der Familie brauchen könnte.

Bürgermeistern zeigt man die lange Nase, wenn sie sich um eine Bebauung bemühen. Weil sie aber auch keinen "Stillstand" in ihrer Gemeinde hinnehmen wollen, sehen sie sich quasi dazu gezwungen, weiterhin grüne Wiesen umzuwidmen.

Das Problem des fehlenden Zugriffs der Gemeinden auf "ihre" Grundstücke ist seit Jahren bekannt; erst im vergangenen Herbst beklagten es zahlreiche Gemeindevertreterinnen auf dem Symposium anlässlich 50 Jahre Österreichische Raumordnungskonferenz im Beisein bundespolitischer Prominenz. Passiert ist seither nichts, obwohl die eine oder andere verfassungsrechtliche Klarstellung bitter nötig wäre.

Enteignungen ermöglichen

Und deshalb greift Innsbruck, wo es österreichweit die höchsten Mieten gibt und die Kaufpreise an der Spitze liegen, nun zu drastischen Mitteln: Dort besann sich die SPÖ des Bodenbeschaffungsgesetzes aus dem Jahr 1974. Es ermöglicht unter anderem Enteignungen, wurde aber seither noch nie angewandt. Dass man damit heikles Terrain betritt, ist bekannt; Enteignungen sind in Österreich, wo der Schutz des Eigentums extrem hochgehalten wird, äußerst umstritten.

So sah auch die Innsbrucker FPÖ gleich "kommunistische Tendenzen" um sich greifen und stellte dem Grundrecht auf Wohnen das Grundrecht auf Eigentum gegenüber. Allerdings: Eine entschädigungslose Enteignung sieht das von der Kreisky-Regierung geschaffene Gesetz ohnehin nicht vor; es sieht explizit eine Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts vor.

Und was man nicht vergessen darf: Die FPÖ hätte gemeinsam mit der ÖVP die Chance gehabt, das Bodenbeschaffungsgesetz im Zuge der großangelegten Rechtsbereinigung wieder einzumotten. Türkis-Blau verzichtete darauf; es wurde sogar nach Möglichkeiten gesucht, das Gesetz weiterzuentwickeln.

Mehr Mut

Raumplaner fordern schon lange bessere Raumordnungsinstrumentarien für die Gemeinden ein. Aber auch mehr Mut in den Gebietskörperschaften, die vorhandenen anzuwenden – von der Baulandbefristung bis zur Baulandumlegung. Insofern sind die Innsbrucker Pläne ausdrücklich zu begrüßen. Auch die Stadt Wien kann sich da etwas abschauen. In ihrer Bauordnung gibt es einen Enteignungsparagrafen, der allerdings nie angewandt wurde. Auch er ist "totes Recht".

Die Klimakrise zwingt uns, mit dem Boden bestmöglich umzugehen. Ohne Zwang wird das nicht gehen. "Verfassungsrechtlich bedenklich" lautet das Killerargument meist, um Enteignungen gar nicht erst anzugehen. Doch zwei Dinge sind klar: Was nicht wenigstens probiert wird, kann nicht gelingen. Und das Druckmittel einer möglichen Enteignung würde die Verhandlungsposition jeder Gemeinde schlagartig verbessern. (Martin Putschögl, 21.8.2022)