Von Amag bis Verbund und Voestalpine – wer immer auf Gas verzichten und stattdessen mit Öl oder Kohle befeuern kann, wird dabei im Fall eines Gasnotstands vom Staat unterstützt.

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Wien – Der für den Ernstfall eines Stopps der Gaslieferungen aus Russland vorbereitete Wechsel von Gas auf Öl oder Kohle in Energieerzeugung und Industrie wird konkreter. Von den rund 60 Großverbrauchern in Österreich könnte rund ein Viertel Gas als Energieträger binnen sechs Monaten durch Öl oder Kohle ersetzen. Vorausgesetzt, die Ersatzrohstoffe stehen tatsächlich zur Verfügung und die dafür notwendigen Kesselanlagen sind bei Anlagenbauern verfügbar.

Das ergab eine Erhebung des Energieregulators E-Control unter jenen Energieerzeugern, Fernwärmeunternehmen und Industriebetrieben, die pro Jahr mehr als 50.000 Kilowattstunden Erdgas verbrauchen.

Das Ergebnis stimmt zuversichtlich, denn diese Großabnehmer verbrauchen zusammen fast 60 Prozent der gesamten Jahresmenge an Erdgas in Österreich, davon entfällt etwa die Hälfte auf Großkraftwerke. Schaffen allein die in Wien, Linz, Salzburg, Wien, Graz und Klagenfurt domizilierten Fernwärmeversorger eine Substitution, wie sie in Salzburg bereits auf Schiene ist, ließen sich 1,5 bis zwei Gigawatt substituieren und das ersparte Erdgas stünde in dem Fall für Haushalte zur Verfügung, um besser über den Winter zu kommen.

Mehrkosten für Emissionszertifikate

Das für Energieversorgung zuständige Klimaschutzministerium will einen Wechsel im Fall des Falles nun ein wenig attraktiver machen und die Ende Juli erlassene Energielenkungsverordnung nachbessern. Künftig soll der Staat nicht nur für die Vermögensnachteile aus der betriebswirtschaftlich unrentablen Umrüstung auf Öl oder Kohle samt dazugehöriger Wartung, Instandsetzung und Reaktivierung stillgelegter Anlagen aufkommen, sondern auch für die Mehrkosten bei den Zertifikaten für den Treibhausgasemissionshandel. Letztere entstehen, weil die Großverbraucher für den Betrieb mit Öl und Kohle mehr der aktuell teuren CO2-Zertifikate kaufen müssen als für den Betrieb mit dem vergleichsweise "sauberen" Erdgas notwendig wären. Diese Zusatzförderung stellte man am Wochenende auf Anfrage des STANDARD im Klimaschutzministerium in Aussicht.

Einzige Einschränkung: Der Umstieg muss vom Staat angeordnet werden. Derzeit ist nur die Ertüchtigung angeordnet, zu diesem Zweck entfallen – vorerst befristet – aufwendige Betriebsanlagengenehmigungen. Im Fall eines Gasnotstands würde der EU-weite Treibhausgas-Emissionshandel (ETS) sowieso ausgesetzt, heißt es.

Druck von Versorgern und Industrie

Das ist in der Ende Juli veröffentlichten Erdgaslenkungsverordnung so nicht explizit ausgeführt, man werde diesbezüglich nachschärfen. Die Kosten für den bivalenten Betrieb, also das Vorhalten der Anlagen für Umstieg und Betrieb mit Heizöl oder Kohle, um jederzeit switchen zu können, trage bei Großverbrauchern sowieso der Staat.

Die Kostenübernahme für die kostspieligen Emissionszertifikate dürfte auf Druck von Energieversorgern und Industrie erfolgen. Sie beklagten, dass Unternehmen auf den Zusatzkosten sitzenblieben. Ob diese zusätzliche Förderung betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn Erd- und Heizöl oder Kohle sind aktuell – sofern verfügbar – billiger als Gas. Der Erwerb zusätzlicher CO2-Zertifikate könnte also unterm Strich gar keine zusätzliche finanzielle Belastung darstellen, zumal die Umrüstung für einen angeordneten Wechsel des Energieträgers ohnehin vom Staat bezahlt wird. Allerdings fehlt es überall an Transportkapazitäten, insbesondere für Kohle aus Australien oder Südafrika.

Millionen für Winterhilfe

Wie viele Millionen der Staat für das klimapolitisch fragwürdige, einzig dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine geschuldete Umrüsten reserviert hat, war auch am Wochenende nicht in Erfahrung zu bringen. Billig wird es nicht, das steht fest. Allein die Kosten für die rund 400.000 Tonnen Kohle für das Kraftwerk Mellach bei Graz, das bis 2023 reaktiviert werden soll, werden auf 160 Millionen Euro taxiert. Weitere hundert Millionen sind bereits für den Ankauf der strategischen Gasreserve durch die OMV reserviert.

Theoretisch könnten sich übrigens weit mehr Unternehmen vom Gas verabschieden. An die 200 Betriebe gelten in Österreichs Industrie als tauglich. Da sie allerdings keine Gasgroßabnehmer sind, müssten sie den Switch ohne Staatshilfe stemmen. Auch Ausnahmen bei den Betriebsanlagengenehmigungen sind für sie nicht vorgesehen, was die Attraktivität eines Umstiegs naturgemäß senkt. (Luise Ungerboeck, 22.8.2022)