Heinz Weixelbraun als schmieriger Papst – hier mit den Kardinälen in der Sauna.

Foto: Victor Malyshev

Die Maultasch – wie das schon klingt! Nach einer, die die Gosch’n zu weit aufreißt, die sich zu viel herausnimmt und die nicht kuscht vor den mächtigen Männern. So einer kann es in Tirol auch heute noch passieren, dass Mann sie beschimpft, als "widerwärtiges Luder" zum Beispiel (Copyright: Josef Geisler, ÖVP), aber das ist eine andere Geschichte.

Wir befinden uns im Spätmittelalter: Margarete von Tirol-Görz ist Landesfürstin, legt sich mit den europäischen Herrschern ihrer Zeit an, setzt ihren Ehemann vor die Tür und heiratet einen anderen (14. Jahrhundert!); sie wird dafür vom Papst mit einem Bann belegt und geht als "Margarete Maultasch" in die Geschichte ein. Der Beiname hat nebst übelster Propaganda dazu beigetragen, das Bild vom liederlichen Weibsbild, das die Pest über das Land brachte, bis in die Gegenwart zu transportieren.

Na, wenn das kein Stoff fürs Theater ist. Der Dramatiker Martin Plattner hat ihn in "Maultasch" (2015) geschickt mit dem brennenden Thema Care-Arbeit verknüpft, die im Gegensatz zum Herrschen bekanntlich als "Frauensache" gilt. Und im Auftrag der Volksschauspiele im Tiroler Telfs nahm sich nun auch Thomas Arzt dieser Herrscherinnenfigur an: "Monster und Margarete" ist ein Historiendrama, das sich in erster Linie vorgenommen hat, das Bild von der "Maultasch" zurechtzurücken. Regisseurin Susanne Lietzow fährt zu diesem Zweck ein furioses Theaterspektakel auf, das sich lustvoll an Elementen aus dem Mysterien- und Volksschauspiel bedient.

Chöre in Fetisch-Dirndln

Die Tiroler tragen geschnitzte Masken, Chöre in Fetisch-Dirndln treten auf (Kostüme: Mirjam Ruschka), die Begleitkapelle spuckt einen singenden Teufel (Gilbert Handler) aus. Die Zeiten sind düster, die Sprache ist derb, die Bühne ein Spektakel für sich: Aurel Lenfert hat einen riesigen Tiroler Adler abstürzen lassen, der Vogel liegt nun bäuchlings in der Kuppelarena des hiesigen Sportzentrums, ein zerrupfter Flügel bildet die Bühnenrampe. Herrlich groteske Szenen spielen sich darauf ab: Man sieht Despoten, die sich wie primitive Schwachköpfe um Territorien raufen, einen infamen Kirchenfürsten, der in der Sauna Ränke schmiedet, ein Volk, das auf Fake News und Propaganda hereinfällt.

Da lassen sich durchaus Parallelen zur Gegenwart herauslesen. In der Tat will dieses Drama auch ein bisschen Antikriegsstück sein, sogar Tolstoi wird aus der Zukunft herbeizitiert. Insgesamt bleibt Arzt aber allzu nah an der Biografie, verstrickt sich in historischen Details, das lässt nicht sehr viel Raum für Reflexionen, es entstehen Längen.

Inszenierung und vor allem auch schauspielerische Leistungen machen einiges wett: Lisa Schrammel glänzt als facettenreiche Margarete und zudem als Sängerin. Großartig Susi Wirth als grimmige Lumpenfrau, Heinz Weixelbrauns schmieriger Papst und Klaus Huhle als verschlagener Rudolf Habsburg. Dem Habsburger fällt das "Landl", in dem in jedem Tal ein Tyrann hockt, am Ende zu. Hätte man ihm bloß auch das letzte Wort gelassen, dann wär’s nicht ins Pathetische entglitten. (Ivona Jelcic, 22.8.2022)