Die zahlreichen Berichte der internationalen Presse über die politische Entwicklung in den USA bieten ein betrübliches Bild

Donald Trump stilisiert sich als Opfer der Regierung nach der Hausdurchsuchung und sammelt erfolgreich Millionenspenden.
Foto: APA/AFP/ROBYN BECK

Die Verabschiedung eines bedeutenden wirtschaftspolitischen Maßnahmenpakets der Biden-Regierung gegen die Inflation und zur Kontrolle des Klimawandels war zwar ein überraschender Erfolg der Demokraten. Dieser kann allerdings nicht über die drohende Gefahr eines republikanischen Triumphs bei den Kongresswahlen im November als Auftakt zur Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus hinwegtäuschen. Wenn auch die Präsidentschaftswahl erst 2024 stattfinden wird, beschäftigt bereits die Frage die politischen Beobachter, ob und – wenn ja – wann der Ex-Präsident seine neuerliche Kandidatur für die Präsidentschaft verkünden wird. Joe Biden ist einer der unpopulärsten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte: Mehr als 53 Prozent der Wähler lehnen ihn ab und selbst bei den Demokraten wünschen nur wenige eine zweite Amtszeit des 79-jährigen Staatsoberhaupts.

Dass Trump trotz der gegen ihn laufenden Untersuchungen wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung, der Mitnahme von Geheimdokumenten nach seinem Rücktritt und vor allem seiner Rolle bei dem Sturm auf das Kapitol die republikanische Partei fest im Griff hat, zeigt das Schicksal jener zehn republikanischen Abgeordneten, die im Jänner 2021 für seine Amtsenthebung gestimmt hatten. Vier wurden bei den parteiinternen Wahlen abgewählt, vier zogen sich zurück, und nur zwei haben die Chance, ihren Sitz zu verteidigen.

Vernichtende Niederlage

Zugleich haben in mehreren wahlentscheidenden Staaten bei den Vorwahlen für Schlüsselpositionen – wie Gouverneur und Innenminister – republikanische Kandidaten gesiegt, die Trumps absurde Lüge von der gestohlenen Präsidentschaftswahl unterstützen. Der Auftrieb für die diversen Verschwörungstheorien in den Reihen der verblendeten Trump-Anhänger und die Tatsache, dass 70 Prozent der Republikaner die große Lüge über die "gestohlene Wahl" im Jahr 2020 glauben, trugen zur politischen Radikalisierung von rechts bei.

Laut einer Umfrage der Universität von Chicago (vom 19 bis zum 23 Mai) halten ein Drittel der Amerikaner und 38 Prozent der Republikaner die Anwendung von Gewalt gegen die Regierung für gerechtfertigt. Eine beängstigende Bestätigung der Berichte über die Wandlung der Republikaner in eine rechtsextreme Partei. Dass bei der Vorwahl der Republikaner im Bundesstaat Wyoming die bisherige Abgeordnete Liz Cheney (Tochter des früheren US-Vizepräsidenten) vorige Woche eine vernichtende Niederlage erlitten hat, war allein die Folge der von Trump dirigierten Hexenjagd wegen ihres Eintretens für dessen Amtsenthebung und ihres Engagements bei der noch laufenden Untersuchung über den versuchten Staatsstreich vom 6. Jänner 2021.

Indessen stilisiert sich Trump bereits als Opfer der Regierung nach der Hausdurchsuchung und sammelt erfolgreich Millionenspenden. Die vom Justizminister Merrick Garland angeordnete FBI-Aktion ohne stichhaltige Beweise könnte sich politisch als kontraproduktiv erweisen. Sie hat den Spekulationen, ob Trump vor oder nach den Kongresswahlen seine Kandidatur bekanntgeben wird, jedenfalls bereits neuen Auftrieb verliehen. (Paul Lendvai, 23.8.2022)