Katzen berühren einander gern an der Kopfpartie. Das sollten wir uns abschauen.
Foto: imago stock&people

Es ist eine Binsenweisheit, dass Katzen vor allem auf Menschen zugehen, die den Fellnasen eher nicht nahekommen wollen. Doch wie Berichte zahlreicher Katzenallergikerinnen, -Katzenfeinde und Katzenagnostiker glaubhaft machen, könnte an der Beobachtung etwas dran sein. Warum aber fahren Katzen gerade auf ihnen nicht so wohlgesonnene Zeitgenossen ab?

Die Tiere weisen nämlich oft eine beinahe unheimliche Zielstrebigkeit auf: Viele Miezen könnten in einer Gruppe Menschen präzise den Schoß eines Allergikers als optimalen Ort zur Fellpflege ausfindig machen. Kein Wunder, dass bei den leidtragenden Menschen der Eindruck einer Art felinen Boshaftigkeit entsteht.

Erklärt wird dieses rätselhafte Radar oft damit, dass Katzen überschwängliches Verhalten, wie es so manche langjährige Katzenenthusiastin beim Anblick einer flauschigen Fellnase an den Tag legt, als Aggression missdeuten und ihnen daher reserviertere Menschen angenehmer sind. Wie ein Forschungsteam um Lauren Finka von der Universität Nottingham (Großbritannien) nun herausgefunden hat, könnte es auch daran liegen, wie Katzenneulinge mit den Miezen umgehen.

Die ideale Streicheleinheit

Um zu untersuchen, wie verschiedene Menschen mit Katzen interagieren, brachte das Team einhundert Stubentiger aus dem Londoner Tierheim Battersea Dogs and Cats Home mit 120 Versuchspersonen zusammen, deren Erfahrung mit Katzen zuvor per Fragebogen erhoben wurde – wie auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale. Außerdem wollten die Fachleute wissen, wie erfahren im Umgang mit Katzen und deren Körpersprache sich die Probanden selbst einschätzen. In einem mit Kameras versehenen Raum trafen Mensch und Tier schließlich einzeln aufeinander. Hinter den Monitoren beurteilten die Expertinnen und Experten, wie nahe die Katze-Mensch-Interaktion dem Ideal kommt.

Die grünen Bereiche sollten sich Katzenfreundinnen und Katzenfreunde merken: Dort mögen es Katzen besonders gern, gekrault zu werden. Die roten Zonen hingegen sind zu meiden. Bei gelben Bereichen gibt es unterschiedliche Präferenzen, je nach Katze.
Grafik: Finka et al./Scientific Reports

Doch wie sehen die Maßstäbe aus, die die Fachleute an den Umgang mit Katzen legten? Zunächst wurde passives, zurückhaltendes Verhalten positiv bewertet. Das Wichtigste an der idealen Interaktion sei es, der Katze die Wahl zu überlassen, wann und wie lange sie Kontakt aufnehmen möchte. Dementsprechend gab es für die Probandinnen und Probanden Abzüge, wenn sie die Katze gegen ihren Willen festhielten – und ja, dieser Wille ist den Fellnasen in der Regel anzusehen.

Aus der Art, wie Katzen einander berühren, schlossen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter zudem, wo die Tiere am liebsten gestreichelt werden. Berührungen schätzen die Stubentiger demnach vor allem am Kopf, wo sich viele Drüsen befinden. Die Fachleute zeichneten daher unter dem Kinn, an den Bäckchen und an der Basis der Ohren grüne Bereiche ein. Berührte eine Versuchsperson die Katzen dort, wurde das als positiv vermerkt. Streicheleinheiten am Schwanzansatz und am Bauch sind aber ein kätzisches No-Go: Berührungen in diesen roten Zonen sind den Samtpfoten eher unangenehm und wurden von dem Team negativ bewertet.

Jung und unerfahren streichelt besser

Wie die Forscherinnen und Forscher nun in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" berichten, schnitten überraschenderweise erfahrene Katzenhalter und Probanden, die sich als Profis im Umgang mit den Stubentigern bezeichneten, schlecht ab. Sie streichelten nicht nur häufiger die rot gekennzeichneten Bereiche, sondern zwangen die Miezen auch zu Kontakt.

Durchschnittlich schlechter verlief auch die Interaktion zwischen Katzen und älteren Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern. Diese neigten dazu, die Tiere festzuhalten, und beschränkten damit die Kontrolle der Katzen über die Kontaktaufnahme. Diese Autonomie ist aber zentral für das Wohlbefinden der Samtpfoten, wie die Fachleute festhalten.

Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass manche ältere Menschen die Tiere weniger als selbstbestimmte Lebewesen wahrnehmen und daher ihre Bewegungsfreiheit unbedacht einschränken – ein Verhalten, das noch aus den geduldigsten Stubentigern strampelnde Kratzbürsten macht.

Katzen schätzen es, wenn die Initiative bei einer Kontaktaufnahme von ihnen ausgeht und wenn vor allem die Kopfpartie gestreichelt wird.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Alles für die Katz

Allerdings handelt es sich bei den untersuchten Katzen um Tierheimbewohnerinnen: Wie die Autorinnen und Autoren der Studie selbst zugeben, kann deren Situation nicht ohne weiteres auf alle Miezen übertragen werden. Etwa sind viele langjährige Katzen-Mensch-Duos perfekt eingespielt, wobei die Studie hier mahnt, das eigene Wissen um die Vorlieben der Katzen nicht zu überschätzen. Weitere Untersuchungen sollen bald auch die Interaktion von vertrauten Miezen und Menschen in gewohntem Umfeld erforschen.

Doch gerade im Kontext von Tierheimen haben die Ergebnisse besondere Brisanz: Oftmals werden die Schützlinge nur an erfahrene Halterinnen und Halter abgegeben. Das erscheint zwar gerechtfertigt, erfordert die Haltung einer Katze doch organisatorisches Know-how – zudem können Erfahrungen im Umgang mit den Tieren sehr helfen. Doch gerade bei langjährigen Katzenhaltern scheint es an der richtigen Streicheltechnik zu hapern. Die Fachleute empfehlen Tierheimen daher, auch Menschen, die bereits Katzen haben, vor einer Adoption dementsprechend zu schulen.

Die schnurrenden Fellknäuel scheinen also Kontaktaufnahme und Streicheleinheiten von Katzenneulingen tendenziell zu bevorzugen. An deren zurückhaltenden und vergleichsweise einfühlsamen Art könnte sich auch erfahrenes Katzenpersonal ein Beispiel nehmen – und seine samtpfotigen Mitbewohnerinnen nicht durch ungebührliches Verhalten indignieren. (Dorian Schiffer, 24.8.2022)