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Rund eine Million Gasthermen sind in Österreich noch in Betrieb, ein Großteil davon in Wien. Der Ersatz durch andere Heizsysteme ist möglich, wie die Sozialbau AG nachgewiesen hat.

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Miesbachgasse im zweiten Wiener Bezirk. Die Wolken am Himmel versprechen Regen. Das unscheinbare Haus Nummer zehn unweit des Augartens stammt von 1966, es gehört der Sozialbau AG, ihres Zeichens größter Bestandshalter an geförderten Wohnungen in Wien. 2011 wurde ein Vollwärmeschutz aufgebracht und neue Fenster eingesetzt – ein fünfstöckiges Haus, wie es viele andere in der Bundeshauptstadt gibt.

Was dieses Haus aber von anderen unterscheidet, ist die Art und Weise, wie es beheizt wird. Statt Gas kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die mittels Strom Temperaturunterschiede ausnutzt und die Räumlichkeiten temperiert. Mit vergleichsweise wenig Aufwand könnten die Wohnungen im Sommer auch gekühlt werden, statt dass sich jeder Mieter, jede Mieterin ein eigenes Kühlgerät anschafft und die heiße Luft ins Freie lässt.

Sozialbau AG als Taktgeber

Doch wie kommt die Sozialbau AG dazu, anderen vorzuhüpfen, was diese als kaum machbar bezeichnen, nämlich mehrgeschoßige Häuser mit einer Vielzahl Bewohnern und durchaus unterschiedlichen Interessen auf andere Heizsysteme als die herkömmliche Gastherme umzustellen? Nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine, den rasant gestiegenen Gaspreisen und der Unsicherheit, was die Gasversorgung betrifft, stellen sich viele die Frage: "Wie komme ich beim Heizen der Altbauwohnung weg von fossilen Brennstoffen?"

Jahrzehntelang war die Gasetagenheizung das Maß aller Dinge, auch Ölheizungen waren lange Zeit populär. In ganz Österreich sind noch rund eine Million Gasheizungen und etwas über 600.000 Ölheizungen in Betrieb. Die Kohleheizung hingegen ist mit rund 18.000 Stück, die es in Österreich noch gibt, längst ein Auslaufmodell.

Heizwasserverteilleitungen im Dachboden mit Abzweiger-, Absperr- und Regelventilen. Schritt für Schritt können die einzelnen Wohnungen an das neue Heizsystem angeschlossen werden.
Foto: ho / wolfgang voglhuber

Um das von der Regierung formulierte Ziel zu erreichen, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen, müssen öl- und gasbefeuerte Heizungen raus. "Für uns war die Mietrechtsnovelle 2015 Auslöser, uns etwas zu überlegen", sagt Ernst Bach, Vorstandsdirektor der Sozialbau AG, bei einem Lokalaugenschein des STANDARD.

Mit der Novelle ist die Verantwortung für die Gasthermenwartung vom Mieter bzw. der Mieterin auf den Vermieter übergegangen. "Bei unseren Kalkulationen sind wir auf Kosten von 50 Cent je Quadratmeter und Monat gekommen. Das läppert sich zusammen", sagt Bach. Dann sei die Idee entstanden, eine Wärmezentrale auf dem Dach zu errichten und für die Verteilung der Wärme die Kamine zu nutzen.

Kein Schmutz, kaum Staub

"Damit muss weder im Stiegenhaus noch in den Wohnungen gestemmt werden", sagt Bach. Die Zentralisierung der Wärmeversorgung sei Voraussetzung, die Dekarbonisierung in Angriff zu nehmen; das Ganze sei minimal invasiv, kostengünstig und rasch umsetzbar.

Als Pilotstandort wählte die Sozialbau das Haus in der Miesbachgasse. 21 Parteien wohnen darin. 2017 wurde auf dem Dachboden ein Heizungsraum brandbeständig abgetrennt, in diesem ein Gaskessel von 35 Kilowatt (kW) Leistung installiert und Heizwasserverteilleitungen im Dachboden an den Kaminwänden festgemacht. Vor jedem einzelnen Kaminzug wurden Abzweiger-, Absperr- und Regelventile angebracht.

Warten auf Wärmegesetz

An diese Abzweiger werden seither Schritt für Schritt Wohnungen angeschlossen. Die Einzelthermen der Mieter werden demontiert, vorgedämmte Aluminiumrohre durch den Kamin eingezogen und an das bestehende Heizsystem in der Wohnung angeschlossen. Gleichzeitig wird die Warmwasserbereitung auf dezentrale, baugleiche Elektroboiler für 80 bis 120 Liter umgestellt.

2020 hat die Sozialbau AG im Mietobjekt Miesbachgasse 10 im zweiten Wiener Bezirk eine Wärmepumpe auf dem Dachboden installiert. Zug um Zug werden die bisher gasbeheizten Wohnungen angeschlossen.
Foto: ho / wolfgang voglhuber

Bei einem Stand von vier angeschlossenen Wohnungen wurde 2020 zusätzlich zum Gaskessel im Dachboden eine 12,5-kW-Luft-Wasser-Wärmepumpe aufgestellt. Sie versorgt seither die angeschlossenen Wohnungen. Der Gaskessel dient als Back-up. Die Kosten der Umstellung werden in der Miesgasse zur Gänze von der Sozialbau AG getragen und belaufen sich nach Angaben von Bach auf maximal 5.200 Euro je Wohneinheit – abhängig von der Anschlussdichte. Die baulichen Maßnahmen der Umstellung dauerten in der Regel einen Tag. Die Verrechnung der Heizkosten für die umgestellten Wohnungen erfolgt über das Unternehmen Ista mittels Wärmemengenzähler. Ziel sei es, alle 5.000 Wohnungen mit Einzelthermen an das umweltfreundlichere und effizientere Energieversorgungssystem der Gemeinschaftsthermen anzuschließen, sagt Bach.

Einen Impuls, damit andere dem Beispiel folgen, erwartet der Klimasprecher der Grünen, Lukas Hammer, durch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Wie bei der Ölheizung soll darin auch ein fixer Zeitplan für den Ausstieg aus der Gasheizung verankert werden, verlangen Hammer und der grüne Bundesrat Adi Gross, der in die Regierungsverhandlungen eingebunden war. Die ÖVP bremst noch und will für Gas eine Tür offen lassen. Beide Grüne aber hoffen, dass es heuer noch etwas wird mit der Regierungsvorlage zum Wärmegesetz, in ihrem Sinn. (Günther Strobl, 24.8.2022)