Schnäppchen darf man sich bei digitalen Bieterverfahren nicht erwarten.

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Digitale Bieterverfahren sind groß in Mode. Zahlreiche Maklerbüros setzen bereits darauf, bei Remax hat man beispielsweise schon 2018 das "Digitale Angebotsverfahren", kurz Dave, ins Leben gerufen. Bei s Real startete man 2020 mit Immo-Live, das seit heuer unter anderem auch die Raiffeisen Immobilien Vermittlung (RIV) und EHL verwenden. Dahinter steckt ein Tool des österreichischen Immo-Start-ups easy Immo Solutions GmbH, genannt Immo-Billie.

Eher keine Schnäppchen

Auf der gleichnamigen Website sind derzeit rund 40 Angebotsprozesse am Laufen, vom "Single- oder Pärchenhit" in Wien-Mariahilf mit 44,51 Quadratmetern bis zum "Wohn- und Geschäftshaus in zentraler Lage" in 4861 Schörfling in Oberösterreich. Per Mausklick lässt sich ein Exposé öffnen oder per E-Mail zusenden, ein Kontakt zum Makler oder zur Maklerin steht samt Telefonnummer dabei, so lässt sich auch die eine oder andere offene Frage klären und – vorausgesetzt, man ist entsprechend früh dran – eine Besichtigung vereinbaren.

Grundsätzlich funktionieren diese digitalen Bieterverfahren dann ganz ähnlich wie Auktionen. Bei den einzelnen Objekten ist neben dem Startpreis auch der jeweils aktuelle Preis zu sehen. Will man um ein Objekt "mitsteigern", gibt man über die Website ein Angebot ab.

Schnäppchen darf man sich hier aber eher nicht erwarten. Der Startpreis für die Wohnung in Mariahilf liegt bei 239.000 Euro, das sind mehr als 5300 Euro je Quadratmeter. Ein "geräumiges Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung in sonniger Aussichtslage" in 6265 Hart ging mit einem Startpreis von 750.000 Euro ins Rennen. Die Verfahren laufen über mehrere Wochen, bei manchen Objekten gibt es auch einen "Sofortkauf"-Preis.

Stark sanierungsbedürftig

Beim Klicken durch die Angebote kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass über das System auch die eine oder andere Problemimmobilie einen neuen Eigentümer finden soll; etwa wenn neben anderen stark sanierungsbedürftigen Einfamilienhäusern auch eine Rohbauruine in der Steiermark zu finden ist ("Startpreis 100.000 Euro, aktueller Preis 100.000 Euro").

Und der Eindruck stimmt in dem einen oder anderen Fall wohl auch, denn mit genau so einem Objekt, einer "Ladenhüter"-Wohnung in Wien, hat 2020 auch die Geschichte von Immo-Billie begonnen, erzählt Gründer und CEO Joachim Klein. "Der Verkäufer wollte 345.000 Euro, sechs Monate lang wurde die Wohnung auf allen Plattformen angeboten. Niemand wollte ein verbindliches Kaufanbot abgeben." Über die damals noch ganz neue Versteigerungsplattform habe man schließlich 362.000 Euro dafür lukrieren können.

Verkauf ist kein Muss

Kommt es zum Verkauf, fließt die normale dreiprozentige Maklerprovision. Immo-Billie sei daran mit 0,2 Prozent vom Kaufpreis beteiligt, sagt Klein. Allerdings gibt es zu üblichen Auktionen einen gravierenden Unterschied: Abgeber sind nicht verpflichtet, das Kaufanbot mit dem höchsten Preis anzunehmen. In diesem Fall fließt naturgemäß keine Provision, und auch Immo-Billie geht leer aus. "Wir sind in Symbiose mit dem Makler", sagt Klein. Gemeinsam legt man auch die Startpreise fest.

Anfangs habe es durchaus Vorbehalte gegen das Instrument gegeben. Doch es entstehe größtmögliche Transparenz, ist der Gründer überzeugt. "Jeder kann immer einsehen, wo der Preis gerade liegt." Wird man überboten, informiert eine SMS oder eine E-Mail darüber.

Ganzer DACH-Raum

Immo-Billie ist mittlerweile im gesamten deutschsprachigen Raum aktiv, für mehr als 400 Immobilien hat man bereits Bieterverfahren durchgeführt, sagt Klein. Bei Raiffeisen verwendet man es seit Jahresbeginn, laut RIV-Sprecherin Anita Köninger wurden im ersten Halbjahr neun Objekte damit verkauft. Bei wie vielen es zu keinem Abschluss kam, konnte sie nicht sagen.

Und Remax hat mit dem hauseigenen System Dave laut Geschäftsführer Bernhard Reikersdorfer im vergangenen Jahr schon rund tausend Transaktionen geschafft. Dort gibt es ein "offenes" und ein "geschlossenes" Dave, bei Letzterem kann ein Interessent genau ein Angebot abgeben, die Preise sind bis zum Ende der Angebotsfrist für niemanden sichtbar. Das offene funktioniert wie Immo-Billie, und dieses wird laut Reikersdorfer auch in drei Viertel aller Fälle gewählt. (Martin Putschögl, 28.8.2022)