Genau 86.627 Personen haben Carolin Astners Petition bis Dienstag unterzeichnet.

Foto: Christopher Glanzl/#aufstehn

Die Idee kam spontan: Nach einem weiteren auszehrenden Dienst entschloss sich die Tiroler Krankenpflegerin Carolin Astner Ende Mai diesen Jahres, eine Petition zu starten. Auf aufstehn.at bat sie unter dem Motto "Pflege ist Schwerstarbeit!" um Unterschriften für eine sehr konkrete Forderung: Pflege soll als Schwerarbeit eingestuft werden und dadurch eine Schwerarbeitspension schon im Alter von 60 Jahren ermöglicht werden. "Nicht weil ich es nicht will, sondern weil ich weiß, dass ich das nicht bis 65 schaffe", sagt die 49-Jährige aus Langkampf in Tirol, die im Bezirksspital Kufstein arbeitet.

Mehr als 85.000 Menschen unterzeichneten schließlich die Petition – am Montagnachmittag übergab Astner die Unterschriften zusammen mit ihren Mistreiterinnen dem Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Rund 40 Pflegerinnen und Pfleger sowie eine Handvoll Patienten hatten sich zu dem Anlass Montagvormittag vor dem Gesundheitsministerium am Wiener Stubenring versammelt.

Die Belastung steigt

Eine von ihnen ist Isabella, die ihren vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Sie arbeitet bereits seit 33 Jahren in der Branche, heute als Anästhesiepflegerin auf der Intensivstation eines niederösterreichischen Krankenhauses. Die Arbeit werde immer chaotischer, die Belastung höher. "Wenn wir Glück haben, können wir beim Nachtdienst um ein Uhr früh die erste Pause machen", sagt sie. Ständig müssen Patienten etwa von Beatmungs- auf Überwachungsbetten verlegt werden, wenn neue Notfälle eintreffen.

Teilweise führe das zu gesundheitsgefährdenden Situationen. Nach Operationen und starker Sedierung kann bei Patientinnen etwa das sogenannte Durchgangssyndrom auftreten, das die Pflegerin als eine Art psychotischen Schub beschreibt. Das kann etwa dazu führen, dass Patientinnen mit amputiertem Bein in ihrer Verwirrtheit aufstehen wollen und aus dem Bett fallen. Auf Nachfrage, ob so etwas schon einmal vorgekommen sei, sagt Isabella: "Ja, so was passiert." Auch sie sieht es als logisch an, dass Pflegearbeit in die Liste der Schwerarbeitsverordnung aufgenommen wird, nicht zuletzt, weil Hospiz- und Palliativpflege dort bereits explizit erfasst ist. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Intensivpflege weniger belastend ist", sagt Isabella.

Immer auf dem Sprung

"Es ist ein körperlich anstrengender Beruf, auch wenn er schön ist", sagt Petitionsinitiatorin Astner. Nicht zuletzt das dauernde Einspringenmüssen sei fordernd – speziell Frauen, die in Teilzeit arbeiten, sammelten so unzählige Überstunden an, kritisiert sie. Zuletzt wurde Astner während der Anfahrt nach Wien angerufen, ob sie spontan einspringen könnte.

Zwei Pflegerinnen aus Lilienfeld pflichten ihr bei. Und selbst Maßnahmen, die die Situation entspannen sollen, führen teilweise zu Mehrbelastungen. Aktuell seien in ihrer Klinik etwa immer wieder Betten gesperrt, was dabei helfen soll, Überstunden abzubauen und in Urlaub zu gehen. Als etwa eine chirurgische Station gesperrt war, seien aber Patienten von der Chirurgie auf ihre internistische Station zur Nachbetreuung gekommen, was eine massive Mehrbelastung ist, weil Pflege auf der Inneren Medizin ganz anders sei als auf der Chirurgie. Wundversorgung oder die Lagerung von Menschen mit großen Brüchen sei etwas, was dort nicht zum Alltag gehöre. "Das ist, wie wenn man einem Maurer sagt, er soll Fliesen legen", kommentiert eine der beiden.

Zuckerln reichen nicht

Von der kürzlich beschlossenen Pflegereform bemerkt man in der Praxis selbstverständlich noch nichts, Astner kritisiert aber den Umgang der Politik mit den in der Pflege Beschäftigten generell: "Das Konzept ist, dass man uns Zuckerln gibt, damit wir Ruhe geben", langfristig fehle aber der Plan. Die Schwerarbeitspension wäre ein wichtiger Schritt. Dass dies den Personalmangel noch erschweren würde, lässt sie als Argument nicht gelten – es könne jeder Kritiker gerne einmal mit ihr mitgehen und bewerten, ob dieser Job über 60 noch machbar sei.

Auf Nachfrage des STANDARD im Gesundheitsministerium hieß es zu den Forderungen der Petition nur allgemein: "Die Anliegen der Pflegekräfte nehmen wir selbstverständlich sehr ernst. In Zukunft muss es weitere Verbesserungen für den bedeutsamen Bereich der Pflege geben. Dafür setzen wir uns auch weiterhin ein." (Levin Wotke, 29.8.2022)