Die Standortdaten vieler Millionen US-Amerikaner können frei erworben werden.

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Die Entscheidung des US-amerikanischen Supreme Court, das landesweite Recht auf Abtreibung zu stürzen, hat weitreichende Folgen für die reproduktiven Rechte von Frauen. Rasch äußerten Datenschützerinnen außerdem die Befürchtung, dass Strafverfolgungsbehörden große Techkonzerne zur Herausgabe von Standortdaten auffordern könnten, um nachzuverfolgen, ob Menschen eine Abtreibungsklinik aufsuchen. Die Sorge scheint nicht unbegründet zu sein.

Am Montag hat die US-Wettbewerbsbehörde FTC einen Datenhändler namens Kochava wegen des mutmaßlichen Verkaufs der Standortdaten von 125 Millionen Smartphones pro Monat geklagt. Die Daten könnten laut der Klageschrift unter anderem dafür genutzt werden, "Verbraucher zu identifizieren, die eine Abtreibungsklinik besucht haben und infolgedessen möglicherweise eine Abtreibung vorgenommen oder in Erwägung gezogen haben".

Öffentlich zugänglich

Den eigenen Online-Marktplatz soll das Unternehmen mit "reichhaltigen Geodaten für Milliarden Geräte weltweit" bewerben. Diese würden Längen- und Breitengrade von mehr als 94 Milliarden monatlichen Geotransaktionen beinhalten. Auf jedem nachverfolgten Gerät könnten 90 Transaktionen pro Tag beobachtet werden. Gesammelt werden die Daten demnach mithilfe der Werbe-ID von Smartphones.

Für zahlende Kundinnen und Kunden sind diese Informationen laut der FTC öffentlich zugänglich. Zum Beispiel sei es möglich, den Datensatz über Amazons Web Services um 25.000 Dollar zu kaufen. Eine kostenlose Probe sei auch gratis verfügbar. Die Daten könnten laut der Behörde zum Beispiel genutzt werden, um Menschen zu tracken, die Schutzeinrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt oder medizinische Einrichtungen aufsuchen. Ein Zeitstempel erlaube darüber hinaus, den Zeitpunkt des Besuchs nachzuverfolgen.

Keine Anonymisierung

Besonders problematisch sei das deshalb, weil die Daten vor Veröffentlichung nicht anonymisiert würden, liest man in der Klage. In Kombination mit der Werbe-ID würden die Standortdaten es deshalb ermöglichen, eine Person eindeutig zu identifizieren.

Kochava fühlt sich hingegen "fundamental" missverstanden, heißt es in einem von "Ars Technica" veröffentlichten Statement. Man arbeite "konsequent und proaktiv in Übereinstimmung mit allen Vorschriften und Gesetzen, einschließlich derjenigen, die den Datenschutz betreffen". Außerdem würden die eigenen Technologien konstant überwacht, um Geodaten "sensibler Standorte zu blockieren".

Konzerne unter Druck

Der US-Höchstgerichtsentscheid brachte auch Großkonzerne wie Google und Facebook unter Druck. Diese haben Zugang zu riesigen Datensätzen, die mitunter auch den Standort von Nutzerinnen und Nutzern beinhalten. Anfang Juli kündigte ersteres Unternehmen deshalb an, künftig die Standortdaten löschen zu wollen, die Abtreibungskliniken, Frauenhäuser und andere intime Orte in den USA beinhalten. Gewarnt wird hingegen weiterhin vor den meisten Perioden-Apps. Wie eine Studie der Mozilla Foundation ergeben hat, teilen die meisten von ihnen bereitwillig auch sensible Informationen mit Dritten. (mick, 30.8.2022)