E sind schlechte Zeiten für spanische Milchkühe. Alleine in diesem Jahr wurden 40.000 Viecher zu den Schlachthöfen geführt. Die Zahl der Milchkühe ging damit auf unter 800.000 zurück. "Die Milch deckt den Gestehungspreis kaum noch, während das Fleisch gut bezahlt wird", erklärt Adoración Martín den Grund dafür.

Die 59-Jährige ist selbst Bäuerin mit Milchkühen, und sie ist auch Sprecherin des Landwirtschaftsverbandes UUAG. "Ich hatte bis zu 110 Kühe, jetzt sind es noch 46. Bis Ende des Jahres werde ich die Milchproduktion ganz einstellen und nur noch Futtermittel anbauen und verkaufen", fügt die Frau aus dem Norden der zentralspanischen Provinz Ávila hinzu.

Unrentabel

Der Grund für ihre Entscheidung und die vieler ihrer Kollegen und Kolleginnen, den Milchkuhbestand zu reduzieren: "Wenn eine Kuh nicht mindestens 25 Liter täglich produziert, ist sie nicht mehr rentabel, die Kosten für den Unterhalt sind höher als das, was sie einbringt", sagt Branchenvertreterin Adoración Martín.

Drastisch gestiegene Preise für Futtermittel und Energie bringen auch die Milchbetriebe in Spanien schwer in Bedrängnis.
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Bereits im vergangenen Jahr erzielten Futtermittel und Energie wie auch anderswo in Europa Rekordpreise. 735 Betriebe mit Milchkühen konnten angesichts der Kostenexplosion nicht mehr mithalten und mussten bereits im Jahr 2021 schließen.

Der Ukraine-Krieg verschärfte die Lage noch. Die Futtermittel – viel davon kam aus dem von der russischen Armee angegriffenen Land – sind mindestens 40 Prozent teurer geworden. Die elektrische Energie für Ställe und Maschinen kostet vier- bis fünfmal so viel, Diesel das Doppelte wie vor einem Jahr.

Durch die Rekordtemperaturen in Spanien laufen die Kühlanlagen für die Milch auf Hochtouren. Der Stromverbrauch stieg. Im Rekordsommer 2022 regnete es kaum, der Anbau von Futtermitteln in Spanien ging zurück. Viele Kühe geben dank des Stresses durch die Hitze drastisch weniger Milch als bisher.

Hinzu kommen die schlechten Marktpreise für die Milch. Wer Glück hat, verkauft für 55 Cent, viele darunter. Die großen Handelsketten drücken den Preis, wie sie nur können. Zwar gibt es neuerdings ein Gesetz, dass Abnahmepreise unter dem Gestehungspreis verbieten, doch kontrolliert wird kaum, so die Beschwerden der Landwirtschaftsverbände. "Ein Kilogramm Trockenfutter ist teurer als ein Liter Milch", sagt Martín.

Schon im vergangenen Jahr mussten hunderte Betriebe schließen.
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Um die Kosten zu decken und eine wirtschaftlich sinnvolle Gewinnspanne einzuräumen, müssten die Bauern – so die Schätzung der Verbände – um die 75 Cent pro Liter bekommen. Der Druck auf den Milchpreis hat einen einfachen Grund. Milch ist eines der Produkte, mit dem die Handelsketten Sonderangebotskampagnen machen, um Kunden anzulocken.

Paradoxerweise steigt der Milchpreis – wie der für andere Produkte auch – für den Endverbraucher dennoch unaufhaltsam. Doch bei den Bauern kommt kaum etwas davon an. Es seien vor allem die Supermärkte und die Zwischenhändler, die von der Preissteigerung profitieren, heißt es. "Wenn die Tendenz so weitergeht, werden wir Ende Herbst, Anfang Winter den Bedarf an Milchprodukten nicht mehr decken können", warnt Martín. Denn auch auf den internationalen Märkten, auf den Spaniens Handelsketten einkaufen, gehe das Angebot zurück.

Milchverarbeiter leiden

Weiterverarbeitende Betriebe wie die Käseproduktion leiden ganz besonders unter dieser Entwicklung. Vor allem die kleinen und mittleren Betriebe werden Opfer der steigenden Herstellungskosten. Die Handelsketten zahlen kaum besser als vor der Krise. "Die Branche steht kurz vor dem Kollaps", erklärt Ramón Santalla, Sprecher des Verbandes kleiner Landwirte (UPA). In den Regalen der Supermärkte könnten damit schon bald die traditionellen Käsesorten fehlen. (Reiner Wandler aus Madrid, 6.9.2022)